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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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beweiskräftig.« Er hob die Hand, ließ sie auf die Schreibunterlage patschen. »Es war jemand anders.«
    »Der Engel?« Das kam von Jo, gefolgt von einem meckernden, humorlosen Lachen. »Nein, nein. Diese Engelsgeschichte riecht geradezu nach Verdrängung. Er projiziert. Das tut man, wenn man etwas getan hat, an das zu erinnern man sich nicht erlauben kann. Also erfindet man eine Erinnerung, die einen besser dastehen lässt.«
    »Jo«, sagte Ambick, »der Mann war in der NVA. Soldat. Warum sollte so einer Gewissensbisse haben, wenn er sich verteidigt?«
    Barth strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Mein Lieber, die menschliche Seele funktioniert nicht so simpel, wie du dir das vorstellst. Eine Menge DDR-Flüchtlinge haben es nur deshalb über die Grenze geschafft, weil die Wachen absichtlich danebengeschossen haben.«
    »Das hat doch damit nichts zu tun.«
    »Und warum redet er dann ausgerechnet von einem Engel ?«
    »Frag ich mich auch«, warf Ortheil ein. Er deutete auf den Monitor. »Lassen Sie die Videos noch einmal laufen.«
    Wie oft denn noch? Ambick griff nach der Fernbedienung. Die Kriminaltechnik hatte die zur Verfügung stehenden Aufnahmen so zusammenkopiert, dass sie sechs Bilder gleichzeitig sahen, jeweils mit identischem Zeitcode. Zwei Bilder zeigten die beiden Bahnsteige, wenn auch nur deren Mittelteil, wo die Fahrgäste ein- und ausstiegen. Drei weitere Bilder zeigten die Treppenaufgänge – die erste Ebene der U-Bahn-Station diente gleichzeitig als Unterführung und hatte drei Ausgänge –, das sechste Bild zeigte einfach einen Teil des langen Nordgangs.
    »Ich weiß echt nicht, wer sich so etwas ausdenkt«, knurrte Ortheil. »Wenn man schon eine Videoüberwachung installiert, warum nicht gleich so, dass man den ganzen Bahnsteig sieht? Dann müssten wir uns jetzt nicht den Kopf zerbrechen.«
    Das hatte er seit Beginn der Untersuchungen bereits mindestens dreimal gesagt. Sie wussten alle, dass es daran lag, dass die Kameras in erster Linie zur Überwachung des Verkehrs angebracht worden waren, nicht um Verbrechen leichter aufklären zu können. Ambick sagte nichts, ließ das Video einfach laufen.
    Zuerst sahen sie die beiden Jugendlichen, Philipp Flach und Dardan Ademi, aus einem Zug der Linie 4 kommen. Offenbar hatten sie hier umsteigen wollen. Sie redeten miteinander, mit großspurigen, aufgebracht wirkenden Gesten, und gerieten aus dem Bild. Der Eindruck, dass sie schwankten, trog nicht: Die Obduktion hatte einen beträchtlichen Alkoholpegel im Blut beider festgestellt.
    Eine dritte Person, ein Mann mit einem Aktenkoffer, der aus einem anderen Wagen ausgestiegen war, verschwand ebenfalls in Richtung Treppe aus dem Bild. Man sah ihn gleich darauf in der Unterführung zum nördlichen Ausgang.
    Dann kam Sassbeck. Man sah, dass ihm das Treppensteigen nicht leichtfiel. Hüftprobleme, vielleicht auch die Kniegelenke. Kurze Zeit später tauchte er auf dem Bahnsteig Richtung Innenstadt auf. Man sah ihn die Fahrpläne studieren. Er blickte ab und zu zur Seite, dorthin, wo Flach und Ademi aus dem Bild verschwunden waren: Vermutlich bekam er mit, wie sie die Sitzbank am äußersten Ende des Bahnsteigs demolierten.
    Er schien mit sich zu ringen. Wandte sich ab, schaute wieder hin.
    Gleichzeitig tauchte auf der schmalen Südtreppe, die man benutzte, wenn man einen Zug stadtauswärts nehmen wollte, eine schmächtige Frau auf. Ihr Gesicht war nicht zu erkennen, sie blickte die ganze Zeit zu Boden. Es war ihnen nicht gelungen, diese Frau zu identifizieren; sie trug einen Allerweltsmantel, hatte eine Allerweltsfrisur, zeigte keinerlei auffällige Merkmale.
    »Die Frau, die Alarm geschlagen hat?«, fragte der Psychologe.
    »Höchstwahrscheinlich«, meinte Ambick. Sie würde erst nachher, wenn die Linie 1 in Richtung Marienweiler einfuhr, auf dem Bahnsteig auftauchen und sofort einsteigen. Er hatte sich diesen Teil des U-Bahnhofs angeschaut: Sie musste die Schlägerei gehört und sich versteckt gehalten haben.
    Nun sah man, wie Sassbeck in Richtung der Jugendlichen ging. Er sagte etwas, geriet aus dem Bild. Ortheil knurrte unleidig. Von der Schlägerei, die nun vermutlich folgte, war nicht das Geringste zu sehen.
    Lediglich eine weitere Person tauchte in dieser Zeit auf den Bildern auf; ein magerer junger Mann mit kurzen schwarzen Haaren, der einen dunklen Mantel trug und die Unterführung raschen Schrittes von der Nordtreppe her passierte.
    »Der hier«, sagte Ambick und hielt das Bild an. »Warum benutzt

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