Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Sie mir zweifellos zustimmen, ohnehin nicht die geringste Ähnlichkeit mit einem Engel hat – ist vermutlich ein Passant, der lediglich die Straßenseite gewechselt hat.« Er gab Enno ein Zeichen, wieder auszuschalten. »Wir haben natürlich vorwärts und rückwärts nach einem Mann in weißer Kleidung gesucht. Aber wir haben keinen gefunden. Die Aufnahmen des Überwachungssystems werden routinemäßig fünf Tage lang aufbewahrt. Ein schneeweiß gekleideter Eingreifer müsste sich also fast eine Woche vorher versteckt haben, was man getrost als extrem unwahrscheinlich betrachten darf. Zudem«, fügte der Staatsanwalt trocken hinzu, »wäre er nach einer Woche in dieser U-Bahn-Station garantiert nicht mehr weiß .«
    Das gab ein paar Lacher.
    Eine gut aussehende, aber etwas verträumt wirkende Journalistin hob die Hand. »Könnte es sich um ein wirkliches Eingreifen höherer Mächte handeln?«, wollte sie wissen. »Die wären auf menschliche Zugänge nicht angewiesen.«
    »Sie meinen, ob Gott einen Erzengel geschickt hat, um Erich S. zu retten?«, fragte Ortheil verdutzt zurück.
    »Nun, eine höhere Macht eben. Wie immer man die nennen will.«
    Der Staatsanwalt faltete bedachtsam die Hände. Ambick sah seine Mundwinkel zucken. »Wir schließen bei unseren Ermittlungen grundsätzlich nichts aus«, erklärte er mit mühsam im Zaum gehaltener Belustigung. »Aber ehrlich gesagt würde es mich erschüttern zu erfahren, dass himmlische Sendboten ausgerechnet die Standardhandfeuerwaffe der ehemaligen sowjetischen Streitkräfte benutzen, um den Willen Gottes durchzusetzen.«
    Gelächter. Die Frau machte sich so klein, als wolle sie verschwinden.
    »Wer könnte der weiß gekleidete Mann Ihrer Ansicht nach gewesen sein?«, fragte ein anderer Journalist.
    »Wir sehen keinen Anlass zu glauben, dass da wirklich ein weiß gekleideter Mann war«, erwiderte der Staatsanwalt kühl.
    Ambick wurde heiß und kalt zugleich. Wie konnte Ortheil das sagen? Er hatte die Stimme von diesem Jungen, diesem Sven Dettar, noch im Ohr, wie der von einem Engel berichtete. Das war keiner, der sich so etwas ausdachte!
    Ambick spürte fast so etwas wie Zorn in sich aufsteigen.
    »Wer hat dann die beiden Jungen erschossen?«, fragte der Journalist weiter.
    »Das zu ermitteln sind wir im Begriff. Und wir wären dankbar, wenn die Medien uns dabei unterstützen würden, anstatt zu versuchen, daraus auf plumpe Weise Kapital zu schlagen. Ja?« Ortheil deutete auf einen anderen Reporter, der die Hand erhoben hatte.
    »Würden Sie es denn begrüßen, wenn es einen solchen Kämpfer für Recht und Ordnung wirklich gäbe?«, wollte der wissen.
    »Nein«, sagte Ortheil scharf. Er hob mahnend den Zeigefinger. »Lassen Sie mich das bitte an dieser Stelle ein für alle Mal klarstellen: Recht und Ordnung zu bewahren ist Aufgabe der dafür bestimmten staatlichen Organe, von Polizei und Justiz. Es ist nicht die Aufgabe von selbst ernannten Kämpfern für was auch immer.«
    »Aber jemanden gegen einen Angriff zu schützen, notfalls mit Gewalt, ist doch Notwehr?«
    »Der Notwehrparagraf, meine Damen und Herren«, dozierte der Staatsanwalt streng, »ist hinsichtlich seiner Gültigkeit mit Bedacht sehr eng gefasst worden. Auf keine legale Weise lässt sich daraus ein Freibrief für Abenteurer ableiten, denen Computerspiele zu langweilig geworden sind. Ich warne ausdrücklich, dass wir jeden, der so etwas versuchen sollte, unnachsichtig verfolgen. Dass das Gewaltmonopol beim Staat liegt, ist eine Regelung, mit der unsere Gesellschaft gut gefahren ist und an der wir deshalb mit aller Kraft festhalten werden.«
    »Aber es gibt doch schrecklich viele solcher Übergriffe«, beharrte der Journalist, ein stämmiger Typ mit Karohemd. »Stichwort Jugendgewalt. Die Polizei kann ja nicht überall sein.«
    »Da sind die Statistiken eindeutig: Die Jugendgewalt sinkt seit Jahren kontinuierlich«, erwiderte Ortheil unnachgiebig. »Ich wiederhole: seit Jahren! Das Einzige, was zunimmt, ist sensationsheischende Berichterstattung über Einzelfälle, die natürlich jeweils sehr zu bedauern sind. Aber es sind eben Einzelfälle, und ich würde mir wünschen, die Medien sähen ihre Aufgabe vorrangig darin, ein realistisches Bild der Welt zu zeichnen.«
    Als Enno Kader sich neben ihn setzte, beugte sich Ambick zu ihm hinüber und fragte leise: »Du hast doch einen Tabletcomputer? So ein tragbares Ding?«
    »Ja«, antwortete Enno verdutzt. »Wieso?«
    »Spiel die Videos da mal drauf, damit wir sie

Weitere Kostenlose Bücher