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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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mitnehmen können. Ich will was ausprobieren.«
    Victoria Thimm saß vor ihrem Computer und versuchte, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Es wollte ihr nicht gelingen, gelang ihr schon den ganzen Tag nicht. Genauer gesagt, seit –
    Dass sie aber auch keinen Ofen im Haus hatte, in dem man Papier verbrennen konnte! Vielleicht sollte sie sich einen einbauen lassen. Einen guten alten Kohleofen. Für alle Fälle. Für schlechte Zeiten. Etwas einfach in der Spüle zu verbrennen, das wagte sie nicht.
    Schluss jetzt. Sie musste eine Übersetzung aus dem Vietnamesischen bewältigen, die Beschreibung eines pflanzlichen Heilmittels. Da durfte ihr kein Fehler unterlaufen. Und die Stelle, an der sie gerade hing, war besonders vertrackt.
    Sie stand auf, schritt die Vorhänge ab, die das Sonnenlicht dämpften, drapierte die apricotfarbenen Falten. Sie hatte nicht viel übrig für Sonnenlicht. Überhaupt war die Welt draußen heute irgendwie lauter als sonst, aufdringlicher, fast, als wolle sie ungebeten zum Fenster hereinkommen.
    Zurück an den Computer. Sie ging in diverse Foren, suchte, fragte herum. Immer wieder rief sie ihre E-Mails ab, in der Hoffnung, dass ihr der Professor, an den sie sich manchmal mit Fragen zum Vietnamesischen wandte, schon geantwortet hatte.
    Das hatte er nicht, aber es war eine E-Mail eines Verlages da, der wegen einer Übersetzung anfragte: ein Roman, zweihundertzehn Seiten, aus dem Bengali ins Deutsche. Bis spätestens Ende Januar.
    Sie spürte die Verlockung, sofort zuzusagen. Das klang einfach, und nach all den Tagen, die sie jetzt schon über diesem eingescannten alten Dokument brütete, sehnte sie sich nach etwas Einfachem.
    Aber das wollte gut überlegt sein. Zweihundertzehn Seiten, das war ein ziemlicher Brocken. Sie zog ihren Kalender hervor, einen simplen Jahreskalender aus Karton, den ihre Bank mit beruhigender Regelmäßigkeit alljährlich schickte, und studierte die farbigen Linien, die sie darin eingezeichnet hatte. Jede Linie stand für einen Auftrag, jedes ausgefüllte Quadrat für einen Termin. Sie würde etwas schieben müssen, um noch Platz zu finden.
    Darüber musste sie nachdenken. Sie nahm ihre Tasse und ging in die Küche, frischen Tee machen. Während sie darauf wartete, dass das Wasser kochte, konnte sie nicht verhindern, dass ihr Blick wieder auf die Zeitung fiel.
    Die Zeitung.
    Die da immer noch lag.
    Die Karotten aus dem Biokorb waren darin eingewickelt gewesen. Und das, obwohl sie ausdrücklich – ausdrücklich! – darum gebeten hatte, dass man sie mit Zeitungen verschonte! Man hatte es ihr zugesagt! Und es hatte all die Jahre funktioniert!
    Bis gestern eben.
    Das Wasser kochte. In ihr kochte es auch. Sie goss den Tee auf. Ob sie sich beschweren sollte? Sie hatte den Telefonhörer gestern schon in der Hand gehabt. Und es dann doch nicht getan. Warum nicht? Das Ganze war einfach … ärgerlich! Sie verwendete große Mühe darauf, die Erinnerung daran, dass es da draußen eine Welt gab, in der unfassbar viele schreckliche Dinge passierten, möglichst selten aufkommen zu lassen. Sie besaß weder Fernseher noch Radiogerät. Nachrichtenseiten, die einem im Internet so begegnen konnten, hatte sie auf ihrem Rechner blockiert. Und nun das.
    Wobei es immer noch nicht so schlimm gewesen wäre, wenn nicht –
    Sie griff nach dem zerknitterten, sandigen Stück Papier. Ausgerechnet die Titelseite. Mit einem Bericht über einen alten Mann, der angegriffen worden war und sich gewehrt hatte. Verdammt. Ausgerechnet. Verdammt, verdammt, verdammt!
    Sie knüllte die Zeitungsseite zusammen, presste sie voller Ingrimm zu einer Kugel, so klein wie möglich, und stopfte sie in den Mülleimer, tief hinein. Weg damit. Aus den Augen, aus dem Sinn. Sie wollte von solchen Dingen nichts wissen.
    Und ganz sicher würde sie das nicht dazu bringen, irgendetwas zu tun . Nein. Ganz bestimmt nicht.
    Ingo verbrachte den Vormittag damit, seine Wohnung weiter aufzuräumen. Der Abend neulich war ein guter Anfang gewesen, aber er hatte dabei vor allem gemerkt, wie nötig sie es hatte und dass sich der Saustall von Monaten nicht innerhalb von ein paar Stunden beseitigen ließ. Zumal sich manche Tätigkeiten – Staubsaugen zum Beispiel – des Nachts verbaten.
    Um die Mittagszeit herum erhielt er einen Anruf von Gerald Kleemann, einem der festangestellten Journalisten. »Herr Törlich hat mir die Berichterstattung im Fall Sassbeck übertragen«, erklärte dieser. Er klang genauso dumpf und langweilig wie die

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