Todesengel
werfen konnte. »Haben Sie eine Ahnung, was es sein könnte?« fragte Angela.
»Nein, wir müssen erst die mikroskopische Untersuchung abwarten«, sagte Walt, während er die Partikel, die sich unter Hodges’ Fingernägeln befanden, vorsichtig abkratzte und in einen kleinen Glasbehälter strich. Auf jedem Glasbehälter wurde sorgfältig vermerkt, von welchem Finger die Probe stammte.
Die Autopsie ergab interessante Entdeckungen, und wie versprochen war Walt ein guter Lehrer. Hodges hatte offenbar unter schwerer Arteriosklerose gelitten, und in seiner Lunge entdeckten sie ein Krebsgeschwür im Frühstadium; zudem hatte er fortgeschrittene Leberzirrhose gehabt.
»Sieht so aus, als hätte er ganz gerne einen Bourbon getrunken«, sagte Walt.
Nachdem sie die Autopsie beendet hatten, bedankte Angela sich, daß sie an der Untersuchung hatte teilnehmen dürfen; sie bat darum, über diesen Fall auch weiterhin auf dem laufenden gehalten zu werden. Walt erwiderte, daß sie ihn anrufen könne, wann immer sie wolle. Als sie zum Krankenhaus zurückfuhr, fühlte Angela sich erheblich besser als in den vergangenen Tagen. Die Autopsie war eine willkommene Abwechslung gewesen. Sie war wirklich froh, daß Wadley sie freigestellt hatte. Kaum hatte Angela ihr Büro betreten, da flog auch schon die Verbindungstür zu Wadleys Büro auf. Sie zuckte zusammen. Wadley baute sich bedrohlich in der Tür auf. Seine Gesichtszüge waren hart, die Augen hatte er zusammengekniffen, und sein normalerweise sorgfältig frisiertes, silbernes Haar war in wüster Unordnung. Er sah sehr wütend aus. Angela wich instinktiv einen Schritt zurück und nahm die Tür zum Flur ins Visier; sie dachte daran, einfach abzuhauen.
Wadley stürmte ins Zimmer, ging direkt auf Angela zu und drängte sie an ihren Schreibtisch zurück. »Ich verlange eine Erklärung«, schnauzte er. »Erzählen Sie mir sofort, warum Sie ausgerechnet zu Cantor rennen mußten, um ihm diese an den Haaren herbeigezogene Geschichte aufzutischen! Diese wüsten Beschuldigungen sind doch lächerlich und entbehren jeder Grundlage! Sexuelle Belästigung? Mein Gott, das ist doch völlig absurd!«
Wadley hielt einen Moment inne und starrte Angela an. Sie wich zurück und wußte nicht, ob sie etwas sagen sollte. Auf keinen Fall wollte sie den Mann provozieren. Sie hatte Angst, er würde sie schlagen.
»Warum haben Sie nicht mit mir darüber gesprochen?« schrie Wadley sie an.
Als er merkte, daß die Tür, die auf den Flur führte, nur angelehnt war, unterbrach er sich. Draußen war es mucksmäuschenstill geworden; die Sekretärinnen hatten aufgehört zu tippen. Wadley stürmte zur Tür und knallte sie zu. »Ist das der Dank dafür, daß ich soviel Zeit und Mühe auf Sie verwendet habe?« brüllte er. »Ich muß Sie ja wohl nicht daran erinnern, daß Sie noch in der Probezeit sind. Wenn Sie sich in Zukunft nicht kräftig zusammenreißen, dann können Sie sich bald nach einem neuen Job umsehen. Von mir bekommen Sie jedenfalls keine Empfehlung.«
Angela nickte nur. »Was ist los? Wollen Sie nichts dazu sagen?« fragte Wadley. Er war bis auf wenige Zentimeter an Angela herangerückt. »Wollen Sie nur stumm dastehen und blöd mit dem Kopf wackeln?«
»Es tut mir leid, daß es soweit gekommen ist«, sagte Angela.
»Das ist alles?« schrie Wadley. »Mit Ihren grundlosen Anschuldigungen haben Sie meinen guten Ruf in den Dreck gezogen, und jetzt wollen Sie nichts weiter dazu sagen? So etwas nennt man Verleumdung, liebe Frau Kollegin. Und ich will Ihnen mal was sagen: Dafür könnte ich Sie vor Gericht bringen!«
Mit diesen Worten drehte Wadley sich auf dem Absatz um, stürmte zurück in sein Büro und knallte die Tür hinter sich zu.
Angela kämpfte mit den Tränen. Sie ließ sich auf ihren Stuhl fallen und schüttelte den Kopf. Es war einfach so ungerecht.
Susan steckte den Kopf durch die Tür des Untersuchungsraumes und teilte David mit, daß eine Schwester von der Intensivstation am Apparat sei und mit ihm sprechen wolle. David ahnte nichts Gutes. Die Krankenschwester erzählte ihm, daß Mr. Tarlow gerade einen Herzstillstand gehabt habe und daß das Wiederbelebungs-Team versuche, ihn wieder zum Atmen zu bringen. David knallte den Hörer auf die Gabel. Er spürte, wie ihm auf einmal ganz bange ums Herz wurde und wie ihm kalter Schweiß den Rücken hinunterlief. Er ließ alles stehen und liegen und raste zur Intensivstation hinüber, doch als er ankam, war bereits alles vorbei. Der Notarzt
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