Todesengel
und dann riß plötzlich jemand mit einem kräftigen Ruck die Tür zu seinem Versteck auf. Eine Sekunde später starrte David in das wirre Gesicht Werner van Slykes.
Van Slyke schien noch entsetzter zu sein als David. Er machte den Eindruck, als hätte er gerade eine Überdosis Speed geschluckt. Seine Augen waren weit aufgerissen, die Pupillen waren so stark erweitert, daß die Iris gar nicht mehr zu erkennen war. Auf seiner Stirn hatten sich unzählige Schweißperlen gebildet, und er zitterte am ganzen Leib. Vor allem jedoch schlenkerten seine Arme unkontrolliert hin und her, und in seiner rechten Hand hielt er eine Pistole, die er genau auf Davids Gesicht gerichtet hatte.
Für ein paar Sekunden rührte sich keiner der beiden vom Fleck. David zermarterte sich verzweifelt das Gehirn nach einer plausiblen Erklärung, weshalb er in das Haus eingedrungen war, doch es fiel ihm einfach nichts ein. Die vor seiner Nase hin- und herwackelnde Pistole machte ihn denkunfähig. Da van Slyke so heftig zitterte, hatte David Angst, daß sich aus Versehen ein Schuß lösen könnte. David wurde bewußt, daß van Slyke mit einer heftigen Angstattacke zu kämpfen hatte.
Er überlegte, ob er ihm freundlich zureden und ihm zu verstehen geben sollte, daß er über seine Probleme Bescheid wisse, er sei Arzt und sei gekommen, um ihm zu helfen.
Doch leider gab van Slyke ihm gar nicht erst die Gelegenheit, diesen Plan in die Tat umzusetzen. Ohne ein Wort zu sagen, packte der durchgedrehte Mann David an der Jacke und zerrte ihn brutal von der Treppe hinunter in den Kellerraum. Van Slyke hatte mit einer solchen Kraft zugepackt, daß David auf der Stelle kampfunfähig war; er fiel der Länge nach auf den Lehmboden und landete kopfüber in einem Stapel Pappkartons.
»Aufstehen! Wird’s bald!« schrie van Slyke. Seine Stimme rief in dem Kellergewölbe ein lautes Echo hervor. David richtete sich mühsam wieder auf. Als er sah, wie heftig van Slyke zitterte und zuckte, erschrak er.
»Gehen Sie in den Vorratskeller!« brüllte van Slyke ihn an.
»Nun beruhigen Sie sich doch«, erwiderte David; es waren die ersten Worte, die er zu dem Mann sagte. Er gab sich alle Mühe, wie ein Therapeut zu klingen, und versuchte van Slyke behutsam beizubringen, daß er dessen Aufregung sehr gut verstehen könne.
Van Slyke reagierte auf Davids Beschwichtigungsversuch, indem er eine Salve von Schüssen abfeuerte. Mehrere Kugeln sausten David um die Ohren und prallten von einer Kellerwand zur anderen, bevor sie sich schließlich in einen Pfeiler, in die Treppenstufen und in die hölzerne Falltür hineinbohrten.
David hechtete in den Vorratskeller und kauerte sich an der hintersten Wand nieder. Er hatte furchtbare Angst, denn er hatte keine Ahnung, was van Slyke wohl als nächstes tun würde. Inzwischen war David sich absolut sicher, daß der Mann einen akuten psychotischen Anfall hatte. Van Slyke knallte die schwere Tür so heftig zu, daß David eine Ladung Verputz auf den Kopf rieselte. Er wagte nicht, sich zu bewegen, während er van Slyke in den anderen Kellerräumen umhergehen hörte. Dann hörte er, wie der schwere Riegel an der Tür zum Vorratskeller von außen vorgeschoben und mit einem Vorhängeschloß gesichert wurde. Das Schloß verursachte ein lautes Klicken, als es einschnappte. Nachdem ein paar Minuten lang Ruhe geherrscht hatte, stand David auf und sah sich in seiner Zelle um. Die einzige Lichtquelle war eine Glühbirne, die an einer Schnur von der Decke herunterhing. Das Fundament des Kellers bestand aus Granitsteinen. Auf der einen Seite des Raumes standen mehrere Körbe mit Früchten, die steinalt zu sein schienen, und an der anderen Wand befand sich ein deckenhohes Regal voller Einmachgläser. David ging zur Tür und preßte sein Ohr gegen das kalte Holz. Er hörte nichts. Als er sich die Tür etwas genauer ansah, entdeckte er auf der Oberfläche frische Kratzspuren. Offenbar hatte sich jemand verzweifelt in die Tür gekrallt, um aus diesem Verlies zu entkommen. Obwohl David wußte, daß es sinnlos war, versuchte er sein Glück: Er stemmte seine Schulter mit aller Kraft gegen die Tür, doch sie bewegte sich keinen Millimeter. Als er einsah, daß er so nicht weiterkommen würde, nahm er den gesamten Vorratskeller noch einmal genau ins Visier. Er war gerade ein paar Schritte gegangen, als plötzlich das Licht ausging. Jetzt war es absolut dunkel in dem Raum.
Sherwood drückte auf den Knopf seiner Sprechanlage und fragte seine Sekretärin,
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