Todesengel
Störung« bezeichnet wurde. Schließlich erkannte er bei van Slyke noch ein Krankheitssymptom: Er war paranoid.
»Los, graben Sie weiter! Und zwar zügig!« brüllte van Slyke auf einmal wieder. Offenbar war er gerade aus einer Art Trance-Zustand erwacht.
David schaufelte schneller, doch er gab seinen Versuch nicht auf, van Slyke am Reden zu halten. Er fragte ihn, wie er sich fühle, erkundigte sich, woran er gerade denke. Doch David bekam auf keine seiner Fragen eine Antwort. Van Slyke machte den Eindruck, als sei er vollkommen in seine eigene Gedankenwelt abgetaucht. Sein Gesicht war total ausdruckslos. »Hören Sie Stimmen?« fragte David, um vielleicht doch noch etwas aus van Slyke herauszubekommen. Als er die Hacke ein paarmal in den Boden gerammt und van Slyke noch immer nichts erwidert hatte, schaute David zu ihm hinüber. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert; er starrte nicht mehr ausdruckslos vor sich hin, sondern er wirkte irgendwie überrascht. Dann verengten sich seine Augen, und er begann wieder stärker zu zittern. David hörte auf zu schaufeln und musterte van Slyke. Es war beeindruckend, wie rasch seine Gemütslage wechselte. »Was sagen Ihnen die Stimmen denn?« fragte David. »Nichts!« schrie van Slyke ihn an. »Sind es die Stimmen, die auch damals bei der Marine zu Ihnen gesprochen haben?« fragte David weiter. Van Slyke ließ die Schultern hängen. Er wirkte nicht mehr nur überrascht - er war regelrecht schockiert. »Woher wissen Sie, daß ich bei der Marine war?« fragte er. »Und woher wissen Sie, daß ich Stimmen gehört habe?«
David registrierte an van Slykes Tonfall, daß seine Paranoia wieder ausbrach, und das ermutigte ihn. Der Panzer des Mannes begann zu bröckeln.
»Ich weiß ziemlich viel über Sie«, sagte David. »Ich weiß zum Beispiel, was Sie getan haben. Aber ich will Ihnen helfen. Ich bin hier, weil ich nicht so bin wie die anderen. Ich bin Arzt, und ich mache mir Sorgen um Sie.« Van Slyke sagte nichts. Er starrte David nur an, und David starrte zurück.
»Sie wirken sehr aufgeregt«, fuhr David fort. »Machen Sie sich Sorgen wegen der Patienten?« Van Slyke blieb vor Überraschung die Luft weg.
»Welche Patienten?« fragte er schnaufend. David mußte noch einmal schlucken. Sein Mund war vollkommen trocken. Er wußte, daß er sich in große Gefahr begab. In seinem Hinterkopf hörte er Angelas warnende Worte. Doch er hatte keine Wahl. Er mußte das Risiko eingehen.
»Ich meine die Patienten, denen Sie beim Sterben geholfen haben«, sagte David.
»Sie wären ja sowieso gestorben«, brüllte van Slyke. David bekam eine Gänsehaut. Es war also van Slyke, der hinter all den Morden steckte.
»Ich habe die Patienten nicht umgebracht«, platzte van Slyke heraus. »Die anderen haben sie getötet. Sie haben auf den Knopf gedrückt - nicht ich.«
»Wie meinen Sie das?« fragte David. »Es waren die Funkwellen«, erwiderte van Slyke. David nickte und bemühte sich, trotz seiner Angst ein mitleidiges Lächeln aufzusetzen. Er wußte, daß nun ein weiteres Symptom für paranoide Schizophrenie zutage getreten war: Van Slyke litt unter Halluzinationen. »Sagen Ihnen die Funkwellen, was Sie zu tun haben?« fragte David. Van Slykes Gesichtsausdruck veränderte sich wieder. Er warf David einen Blick zu, als sei David der Verrückte und nicht er. »Natürlich nicht«, erwiderte er verächtlich. Auch sein Zorn kehrte wieder zurück. »Woher wissen Sie, daß ich bei der Marine war?«
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß ich eine Menge über Sie weiß. Und ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Aber ich kann Ihnen nicht helfen, wenn ich nicht alles weiß. Ich möchte wissen, wer ›die anderen‹ sind. Meinen Sie damit die Stimmen, die Sie hören?«
»Ich dachte, Sie hätten behauptet, daß Sie eine Menge über mich wissen«, entgegnete van Slyke. »Das stimmt auch«, sagte David. »Aber ich weiß nicht, wer Ihnen sagt, daß Sie Menschen töten sollen, und ich weiß auch nicht, wie Sie diese Menschen töten. Ich glaube, die Stimmen sagen Ihnen, daß Sie das tun sollen. Habe ich recht?«
»Halten Sie die Klappe, und graben Sie weiter!« erwiderte van Slyke. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, feuerte er einen Schuß ab. Die Kugel jagte links an David vorbei und bohrte sich in die Tür des Vorratskellers, die daraufhin laut zu knarren begann.
David fing schnell wieder an zu schaufeln, van Slyke jagte ihm jedesmal einen riesigen Schrecken ein, wenn er einen seiner manischen
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