Todesengel
die Kinderärzte hatten mitbekommen, daß sie sich auf Nikkis Aussagen verlassen konnten. »Ja, es geht mir schon viel besser«, sagte sie. »Ich glaube, der Schleim ist fast weg.«
Auf einmal stand auch Angela in der Tür. »Na, da komme ich wohl gerade rechtzeitig zu einem kleinen Familientreffen«, sagte sie und begrüßte David und Nikki mit einer herzlichen Umarmung. Angela setzte sich auf die eine Seite von Nikkis Bett, David auf die andere, und sie plauderten eine halbe Stunde miteinander. »Ich will mit euch nach Hause gehen«, jammerte Nikki, als ihre Eltern aufstanden.
»Das weiß ich, Nikki«, sagte Angela. »Wir würden dich auch sehr gerne mitnehmen. Aber wir müssen uns an die Anweisungen von Dr. Pilsner halten. Morgen früh reden wir mit ihm.«
David und Angela verließen stumm das Krankenhaus durch den Hinterausgang. Auch auf der Fahrt nach Hause redeten sie nicht miteinander. Bis auf das monotone und traurig klingende Gequietsche der Scheibenwischer war es still im Auto. Als Angela schließlich als erste die Sprache wiederfand, erzählte sie ihm, daß die Untersuchung von Nikkis Schleimkultur das Vorhandensein von Pseudomonas aeruginosa ergeben habe. »Das ist kein gutes Zeichen. Wenn diese Bakterien sich einmal bei jemandem einnisten, der an Mukoviszidose leidet, dann bleiben sie meistens für immer.«
»Das mußt du mir nicht erzählen«, sagte David finster. Ohne Nikki war die Stimmung beim Abendessen sehr gedämpft. Während die beiden am Küchentisch saßen, prasselte der Regen unaufhörlich gegen das Fenster. Als sie mit dem Essen fertig waren, rang Angela sich schließlich dazu durch, David von dem Vorfall mit Dr. Wadley zu erzählen. Davids Überraschung schlug schnell in Wut um. »Dieses Schwein!« rief er und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Ich habe mir schon ein paarmal gedacht, daß er vielleicht ein bißchen zu sehr von dir angetan sein könnte. Auf dem Fest am Labor Day zum Beispiel. Aber dann hab’ ich mir eingeredet, daß meine Eifersucht einfach lächerlich ist. Da kann man mal sehen, wie richtig mein intuitives Gefühl gewesen ist.«
»Ich bin mir auch noch nicht ganz sicher«, sagte Angela. »Darum hab’ ich auch zunächst gezögert, dir das alles zu erzählen. Ich will keine voreiligen Schlüsse ziehen. Aber die Sache ist ärgerlich, und sie macht mich nervös. Es ist so ungerecht, daß wir Frauen uns immer wieder mit solchen Problemen herumschlagen müssen!« David nickte. »Es tut mir wirklich leid. Wenn du willst, steige ich sofort ins Auto, fahr’ zu ihm rüber und schlag’ ihm die Fresse ein.«
Angela lächelte. »Danke, David. Das ist nicht nötig.«
»Ich hatte auch einen ziemlich üblen Tag«, gestand David seiner Frau nach einer kurzen Pause und ging zum Kühlschrank, um sich ein Bier zu holen. Nach einem kräftigen Schluck erzählte er Angela von seinem Gespräch mit Kelley und dem CMV-Mann aus Burlington.
»Aber das ist ja unglaublich!« rief Angela, als David fertig war. »Was für eine Unverschämtheit, in diesem Ton mit dir zu sprechen! Deine Patienten sind doch total begeistert von dir!«
»Das spielt offensichtlich keine Rolle«, erwiderte David betrübt.
»Glaubst du das wirklich? Inzwischen weiß doch jeder, daß ein gutes Verhältnis zwischen Arzt und Patient die beste Voraussetzung für eine vernünftige medizinische Versorgung ist.«
»Vielleicht ist diese Denkweise schon wieder überholt«, sagte David. »Heutzutage haben Leute wie Charles Kelley das Sagen. Er gehört zu einer Armee von medizinischen Bürokraten, die die Regierung herangezogen hat. Auf dem Gebiet der Medizin haben auf einmal Wirtschaftsexperten und Politiker das Zepter übernommen. Und ich befürchte, daß sie nur eines im Auge haben, nämlich die Bilanz. Die Versorgung der Patienten spielt in ihren Augen nur noch eine untergeordnete Rolle.« Angela schüttelte den Kopf.
»Dieses Desaster haben wir Washington zu verdanken«, fuhr David fort. »Jedesmal, wenn die Regierung einen ernsthaften Versuch unternommen hat, die medizinische Versorgung zu verbessern, sind die Zustände danach noch schlimmer gewesen. Sie wollen es immer jedem recht machen, und womit endet das? Daß sie es keinem recht machen. Man muß sich ja nur die staatlichen Krankenversicherungen Medicare und Medicaid anschauen; dort herrschen katastrophale Zustände, und die verheerenden Auswirkungen dieser Misere kriegen wir im gesamten Bereich der Gesundheitsversorgung zu spüren.«
»Und was willst du nun
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