Todesengel
sich an diesem Morgen bereits zweimal umgezogen.
Als sie im Auto saßen und in Richtung Schule fuhren, redete Nikki ausschließlich über die Leiche. Angela riet ihr beim Aussteigen, die Geschichte besser nicht gleich überall herumzuerzählen, doch im Grunde wußte sie genau, daß ihre Bitte nutzlos war. Nikki hatte Caroline und Arni längst alles erzählt, und die beiden hatten die Nachricht mit Sicherheit sofort wie ein Lauffeuer verbreitet. Als Nikki ausgestiegen war, fuhren David und Angela weiter zum Krankenhaus.
»Ich mache mir schon richtig Sorgen darum, wie es meinem Patienten heute morgen geht«, sagte David. »Zum Glück hat wenigstens die Nachtschwester nicht angerufen.«
»Und ich habe Angst, Wadley gegenüberzutreten«, sagte Angela. »Ich habe keine Ahnung, ob Cantor schon mit ihm geredet hat, aber es wird in jedem Fall unangenehm werden.«
David schaute zuerst nach John Tarlow. Als er das Zimmer betrat, bemerkte er sofort, daß John schwer atmete. Das war kein gutes Zeichen. David nahm sein Stethoskop und schüttelte John leicht an der Schulter, damit er sich im Bett etwas aufrichtete. Doch John reagierte kaum. In David stieg Panik auf. Es schien so, als ob seine schlimmsten Befürchtungen wahr werden würden. Hastig untersuchte er John und stellte fest, daß er an einer schweren Lungenentzündung litt.
In aller Eile hastete David zum Schwesternzimmer und rief ihnen schon über den Flur zu, daß John sofort auf die Intensivstation verlegt werden mußte. Die Nachtschwestern waren gerade damit beschäftigt, ihre Berichte fertigzustellen; es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Schwestern der Tagesschicht sie ablösen würden. »Kann das nicht so lange warten, bis wir unsere Berichte fertig haben?« fragte Janet Colburn. »Verdammt nochmal, nein!« raunzte David sie an. »Ich will, daß er sofort verlegt wird! Und außerdem möchte ich wissen, warum Sie mich nicht angerufen haben. Mr. Tarlow hat eine beidseitige Lungenentzündung.«
»Als wir zum letzten Mal seine Temperatur gemessen haben, hat er ganz friedlich geschlafen«, erwiderte die Nachtschwester. »Sie haben gesagt, daß wir Sie nur dann benachrichtigen sollen, wenn der Patient Fieber bekommt oder sich sein Zustand auffällig verschlechtert. Das ist beides nicht passiert.«
David schnappte sich die Patientenakte und schlug die Seite mit der Fieberkurve auf. Johns Temperatur war zwar leicht angestiegen, aber längst nicht so stark, wie David vermutet hätte, nachdem er den Brustkorb des Mannes abgehorcht hatte.
»Bringen wir ihn erst mal auf die Intensivstation«, sagte David. »Und veranlassen Sie bitte, daß umgehend die Blutuntersuchung und eine Lungenaufnahme gemacht werden.«
Mit lobenswertem Eifer machten sich die Schwestern daran, John Tarlow auf die Intensivstation zu transportieren. Währenddessen telefonierte David mit dem Onkologen, Dr. Clark Mieslich, und mit dem Spezialisten für Infektionskrankheiten, Dr. Martin Hasselbaum; er bat beide, so schnell wie möglich auf die Intensivstation zu kommen. Da das Labor die Untersuchungen für die Intensivstation vorrangig bearbeitete, lagen David schon bald die Ergebnisse vor. Die Anzahl von Johns weißen Blutkörperchen, die ohnehin schon sehr niedrig gewesen war, war jetzt noch weiter gesunken, und das, obwohl sein Körper mit der Lungenentzündung schwer zu kämpfen hatte. Eine solche Reaktion hätte man vielleicht hei einem Patienten erwartet, der sich gerade einer Chemotherapie unterzog, doch David wußte, daß John schon seit Monaten nicht mehr in chemotherapeutischer Behandlung gewesen war. Noch verhängnisvoller aber war das Röntgenbild: Es bestätigte eindeutig, daß John eine schwere, beidseitige Lungenentzündung hatte.
Die beiden Fachärzte, die David um Rat gebeten hatte, trafen kurz nacheinander ein; sie untersuchten den Patienten und studierten dessen Akte. Dr. Mieslich bestätigte, daß bei John schon seit geraumer Zeit keine Chemotherapie mehr gemacht worden war.
»Wie erklären Sie sich dann die geringe Anzahl seiner weißen Blutkörperchen?« fragte David. »Ich weiß es nicht«, gab Dr. Mieslich zu. »Aber ich nehme an, daß es irgend etwas mit seiner Leukämie zu tun hat. Um den genauen Grund herauszufinden, müßten wir eine Knochenmarkanalyse durchführen; davon würde ich im Augenblick aber abraten. Nicht bei einer derart schweren Lungenentzündung. Außerdem sieht es so aus, als würde eine solche Analyse rein akademischen Zwecken dienen. Ich befürchte,
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