Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todeserklärung

Todeserklärung

Titel: Todeserklärung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
Vom Netzwerk:
seinem Handy und tippte eine SMS: Habe gerade eine eigene Wohnung in Huckarde genommen. Melde mich morgen . Und er schickte sie wortgleich an Lisa und an Marie. Seine einzige SMS, die für beide galt. Dann schaltete er sein Handy ab. Er wollte keine Antwort erhalten, weder von der einen noch von der anderen und legte sich mit Unterhose und T-Shirt bekleidet auf eine Couch, fand eine mit orientalischen Motiven bedruckte Decke und wickelte sich darin ein, fiel bald in den Schlaf und träumte nichts.

11
    Am nächsten Morgen wachte er von dem klackernden Geräusch der Heizung auf. Knobel brauchte einige Sekunden, bis er sich orientiert hatte und der gestrige Abend wieder präsent war. Er schaltete das Handy wieder ein und sah, dass es bereits Viertel vor neun war, eine Zeit also, in der man in der Kanzlei bereits bei der Postbesprechung war. Knobel rief eilig Frau Klabunde an und ließ sich für den heutigen Tag entschuldigen. Die teilnahmsvollen Nachfragen machten ihm ein schlechtes Gewissen. Nein, es werde ihm morgen schon wieder besser gehen, versicherte er und bat sie, die anstehenden Gerichts-und Besprechungstermine abzusagen. Als das Gespräch beendet war, erschienen die SMS-Nachrichten auf seinem Handy, die ihn gestern Abend nicht mehr erreichen konnten, erwartungsgemäß eine von Marie und eine von Lisa.
    Lisa schrieb: »Wir müssen reden.«
    Marie schrieb: »Habe um 12 Uhr Uni aus. Komme dann zu meiner Wohnung!«
    Knobel war, nunmehr weitgehend nüchtern, mit seiner neuen Wohnung nicht wirklich glücklich. Zwar gab es an den zweieinhalb Zimmern nichts auszusetzen, aber es waren keine Räumlichkeiten, die er sich wohnlich eingerichtet vorstellen konnte, ganz zu schweigen von der äußeren Umgebung. Nach hinten blickte er auf einförmige Siedlungshäuser aus den 50er-oder 60er-Jahren, dahinter die schwarz-braune Gebäudekulisse der stillgelegten Kokerei Hansa, seitlich davon auf den künstlichen Berg der früheren Mülldeponie. Nach vorne ging der Blick auf die trostlose Varziner Straße, rechts gegenüber eine Trinkhalle und links auf einen Bäckerladen an der Straßenecke. Knobel hatte Lisa immer gesagt, dass er ein luxuriöses Heim ebenso wenig brauche wie das Ambiente der reicheren Vororte Kirchhörde oder Lücklemberg. Aber musste es die Varziner Straße sein?
    Zweifellos waren die Häuser hier zum Teil noch besser als in der Brunnenstraße, wo Marie wohnte. Aber er merkte, dass die heimelige Atmosphäre, die er in Maries Wohnung genoss, im Wesentlichen in dem Umstand begründet war, dass er alles, was Marie verkörperte, in seinem Anderssein lieb gewonnen hatte und deshalb bedingungslos zu schätzen bereit war, weil es eine Insel in seinem bürgerlichen Leben darstellte, die er zeitweise aufsuchte und deshalb nicht für sich übernehmen musste. Ehrlich betrachtet wollte er auch nicht in einer Wohnung wie der von Marie in der Brunnenstraße wohnen. Das war ihm nun klar.
    Er duschte und trocknete sich mit der Decke ab, die ihn in der Nacht gewärmt hatte, nachdem er keine Handtücher in der Wohnung fand. Dann zog er seine Kleidung von gestern an, roch den Zigarettenqualm aus dem Louisiana, fühlte sich unwohl und war entschlossen, diese Wohnung sofort wieder aufzugeben. Der Taxifahrer hatte den Wohnungsschlüssel innen in das Türschloss gesteckt, bevor er gegangen war. Knobel öffnete die Tür und ging leise die Treppe herunter. Vor dem Haus stand das Taxi, einige Häuser weiter, vor dem Anadolugrill , zusammen mit ein paar Landsleuten der Taxifahrer. Als er Knobel sah, kam er schnellen Schrittes auf ihn zu.
    »Hoffe, gut geschlafen«, sagte er, musterte Knobel und fragte:
    »Jetzt wollen Wohnung nicht mehr haben?«
    Sein Gastgeber hätte ihm den Abschied leicht gemacht. Knobel hätte seinen soeben gefassten Entschluss mitteilen und nicht begründen müssen, aber er hätte durch seinen Abschied auch nichts gewonnen.
    »Habe gerade eine Wohnung in Huckarde genommen«, hatte er Marie und Lisa mitgeteilt. Einen solchen Schritt hatte er nur im angetrunkenen Zustand machen können, aber er war nach wie vor stolz darauf, einen Schritt getan zu haben. Er schüttelte den Kopf.
    »Nein, es bleibt fürs Erste dabei«, meinte er.
    » Evimize ho ş geldiniz , das heißt Willkommen in meinem Haus.« Dann fuhr er Knobel zum REWE -Laden ins Ortszentrum, begleitete ihn geduldig durch das Geschäft, während sich Knobel Shampoo, Zahnbürste, Zahncreme, Rasierer, Seife und andere Utensilien in den Einkaufskorb legte und

Weitere Kostenlose Bücher