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Todeserklärung

Todeserklärung

Titel: Todeserklärung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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brachte ihn danach zur Wohnung zurück. Sein Vermieter zeigte ihm noch den Weg zur Stadtbahnhaltestelle. Am späten Vormittag machte er sich mit der Bahn auf den Weg in die Innenstadt, blickte, als der Zug auf die lange Brücke über den stillgelegten Güterbahnhof fuhr, nach links zurück auf den Ort mit der stillgelegten Kokerei, in den es ihn zufällig verschlagen hatte, dann nach rechts vorn, sah die Skyline der Dortmunder Innenstadt und weiter rechts im Hintergrund die Höhenzüge des Ardeygebirges mit den südlichen Stadtteilen. Irgendwo dort musste sich die Dahmsfeldstraße mit dem Haus befinden, das sein Zuhause gewesen war. Er dachte daran zurück, wie Lisa dem Architekten ihre gemeinsamen Wünsche erklärt und dieser sie zunächst mit einer Computersimulation sichtbar gemacht hatte. War das alles bedeutungslos geworden?
     
    Er traf etwa zeitgleich mit Marie in der Brunnenstraße ein. Sie gingen in ihre Wohnung, sie machte Kaffee und legte die Dahlmann -Brötchen von gestern auf den Tisch, dazu Rhabarberkonfitüre, Cornflakes und eine Tüte Milch. Sie backten die Brötchen auf dem Toaster auf, und als er eines der Brötchen aufgeschnitten, die warmen Hälften mit Honig bestrichen hatte und darüber nachdachte, welchen gigantischen Schritt er von gestern, als genau diese Brötchen noch frisch waren, zu heute, als er diese Brötchen aß, gemacht hatte und sich fragte, warum Marie kein lobendes Wort über diese ihm gänzlich untypische Entschlussfreudigkeit verlor und deshalb beleidigt schwieg, stand sie irgendwann auf, stellte sich hinter ihn, umarmte sanft seine Schulter und sagte:
    »Das war ein Anfang!«
    »Ich habe alles aufgegeben!«, setzte Knobel nach.
    Sie schüttelte den Kopf.
    Und damit wechselte sie das Thema.
    »Kirchhörder Straße«, sagte sie.
    Knobel sah sie fragend an.
    » Wohnstift Augustinum «, erklärte sie.
    »Unsere Suche nach Sebastian Pakulla führt vielleicht über Esther van Beek. Immerhin scheint sie das einzige greifbare verbindende Element zwischen den ungleichen Brüdern zu sein, das uns bekannt ist.«
    »Sie ist seit Wochen tot«, erinnerte Knobel.
    »Aber bestimmt nicht vergessen!«, erwiderte sie.
    Marie packte die restlichen Brötchen, Honig und einen kleinen Goudakäse in ihren Rucksack. Dann fuhren sie mit der U-Bahn zum Stadtgarten, liefen zurück zum Hiltropwall und stiegen in Knobels Auto ein. Der Mercedes wirkte plötzlich ungewohnt, unpassend und unverdient. Knobel dachte an seine Kanzlei, die er heute im Stich ließ, Frau Klabunde, die er mit der Lüge vertröstet hatte, dass es ihm gesundheitlich nicht gut gehe, Frau Meyer-Söhnkes, die natürlich sein Fernbleiben mit dem gestrigen Gespräch in Verbindung bringen und versucht sein würde, den anderen Sozien zu berichten, aber letztlich schweigen würde. Er dachte an Dr. Hübenthal und Hubert Löffke, die etwa um diese Uhrzeit den allmittäglichen Gang der Sozien zum Dubrovnik anführen und ihre geschäftlichen Erfolge wortgewaltig demonstrieren würden. Knobel bog auf die Hohe Straße ab, die in die Hagener Straße überging, fuhr den Weg, den er sonst von der Kanzlei nach Hause nahm, wechselte hinter der Weißen Taube in die Olpketalstraße und fuhr gedankenvoll langsam weiter. Mit mulmigem Gefühl passierte er die Einmündung Dahmsfeldstraße und setzte gedanklich mehrfach an, Marie darauf aufmerksam zu machen, doch er unterließ es. Marie kramte einen Internetausdruck über das Wohnstift Augustinum aus ihrer Jacke, aus dem sie auszugsweise vorlas.
    Knobel schwieg und kurze Zeit später gelangten sie auf den Parkplatz des großen kastenförmigen Gebäudes am Rande der Bittermark.
    Marie stellte sich an der Rezeption vor.
    »Mein Name ist Weiß«, sagte sie, »und das ist Herr Hebel. Wir sind Verwandte von Frau van Beek, die vor ein paar Wochen in Ihrem Hause verstorben ist. Esther hat immer von Ihrem Haus geschwärmt und insbesondere von einer Frau, mit der sie sich so gut verstand. Auf Esthers Beerdigung haben ihre beiden Neffen immer von der Dame erzählt, aber leider fiel ihnen der Name nicht mehr ein. Wir fanden aber alle, dass wir dieser Dame unseren Dank aussprechen sollten für das viele Gute und ihre Zuneigung, mit der sie Esther immer so umsorgt hat. Deshalb sind wir hier und möchten ihr das persönlich mitteilen.«
    Marie gelang ein huldvoller Augenaufschlag, der Knobel schmunzeln ließ.
    Die Dame am Empfang studierte den Belegungsplan des Hauses, nahm zwischendurch ein Telefonat an und vermittelte

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