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Todeserklärung

Todeserklärung

Titel: Todeserklärung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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liebe.«
    »Deshalb die Bilder in seiner Wohnung«, nickte Marie.
    »Ich, verehrter Herr Knobel, stand wie blöd dabei. Mein kleiner Bruder, der Künstler, führte das Wort, und nebenbei: Da er tatsächlich größer ist als ich, passte er aus meinen Augen auch zu dieser schönen Frau – und umgekehrt. So fing das an – und ich sah nach dem Verlierer aus und Sebastian nach dem Gewinner. Wir hatten erfahren, dass Kirsten in Sa Pobla in der Nähe des Bahnhofs wohnt und verabredeten uns zwei Tage später in dieser Stadt. Man fährt mit dem Zug von Palma durch bis hierhin. Vielleicht wissen Sie, dass die Strecke vor einigen Jahren noch in Inca endete und dann Teile des in den 80er-Jahren abgebauten Eisenbahnnetzes wieder aufgebaut wurden, so die Strecken nach Manacor und eben diese nach Sa Pobla. Also sind wir mit dem Zug nach Sa Pobla gefahren und fanden eine Stadt, die mit der Romantik der Innenstadt von Palma so gar nichts zu tun hat – und eine Kirsten, die in ihrem Beruf auch nichts mit dem Makeln von schönen Altstadthäusern zu tun hat, sondern schlicht und einfach mit dem Verkauf von teuren Ferienwohnungen und Villen in dieser Gegend.«
    »Nachdem die neue Inselregierung den weiteren Ausbau des Eisenbahnnetzes zunächst gestoppt und entgegen der rot-grünen Vorgängerregierung wieder den Autoverkehr favorisierte, kam es auch zum Autobahnausbau zwischen Inca und Alçudia. Was für uns natürlich als Standortfaktor interessant ist«, erklärte Frau Praetorius.
    »Kurz und gut: Das waren Geschäfte, die Hand und Fuß haben«, fuhr Pakulla fort, »und sie passen in gewisser Weise ja auch zu dem, was ich beruflich mache. Und plötzlich ergab sich eine Verbindung zwischen Kirsten und mir, während der romantische Basti wie von selbst auf ein Abstellgleis fuhr. Er machte Kirsten regelrecht Vorwürfe, sich am Ausverkauf der Insel zu beteiligen. Aber diese Art von Moral ist mir fremd – und ich weiß, Herr Knobel, was Sie jetzt heimlich wieder über mich denken – aber so bin ich nun einmal, und Kirsten ist genauso. Es geht uns darum, viel Geld zu verdienen. Und glauben Sie mir: Auch dies kann einer wunderschönen Liebe guttun.«
    »Weiter!«, forderte Knobel, der eben noch versucht war, sein Urteil über Gregor Pakulla zu revidieren.
    »Ich flog nach Frankfurt zurück, und Basti zwischendurch nach Dortmund. Er fing an, wie ein Verrückter Stadtbilder nach mallorquinischen Vorbildern zu malen. Er schrieb Kirsten Gedichte. Schnulzig, devot, unerträglich. Aber da ist jeder anders. Ich bin auf jeden Fall das Gegenteil.«
    »Sind Sie Sadist?«, fragte Marie.
    Pakulla schenkte weiter Rotwein ein.
    »Ich bin Egoist, vielleicht bin ich Sadist. Ich bin extrem. Kirsten weiß das. Sie ist genauso.«
    »Weiter!«, wiederholte Knobel.
    »Tatsache ist, dass nur ich und Kirsten wechselseitigen Kontakt hatten. Wir besuchten uns gegenseitig, und auch ich war zwischendurch mehrfach erneut auf Mallorca, ohne dass Sebastian davon wusste. Während Sebastian und ich in unseren turnusmäßigen Anrufen bei Tante Esther von wachsender Bruderliebe erzählten und uns sogar über Handy gelegentlich untereinander absprachen, um die Geschichten abzustimmen, die wir Tante Esther servieren wollten, hatte ein jeder von uns für sich allein nur Kirsten im Kopf. Die Aussicht auf Esthers Erbe einte uns und die gemeinsame Zuneigung zu Kirsten entzweite uns, wie uns nichts mehr hätte entzweien können. Der vage Versuch, einander zu nähern, verkehrte sich in meiner Beziehung zu Kirsten genau ins Gegenteil.
    Eines Tages, es war Anfang Oktober letzten Jahres, stand Basti überraschend vor Kirstens Tür, so wie Sie heute hier vor der Tür standen. Er kam zu ihr in die Wohnung, so wie Sie es heute taten. Und er war ebenso überrascht wie Sie, mich hier zu treffen. Da begriff er, dass seine Traumfrau meine war, und er fiel vor Kirsten auf die Knie, betete sie an, widerlich, sage ich Ihnen, aber so war er nun mal.«
    »Es kam zum Eklat?«, vermutete Knobel.
    »Eklat? Ach, Herr Knobel! Basti schwor, nur für Kirsten da zu sein, sein ganzes Leben wollte er verändern. Er sei gekommen, um für sie da zu sein. Heute, morgen, immer. Er habe kein Rückflugticket, viele Bilder warteten auf sie, in Dortmund, in seiner Wohnung, in Galerien, überall. Er werde ihr die Welt malen. All so ein Krampf.«
    »Und?«
    »Frauen stehen nicht auf so was«, wusste Pakulla. »Kirsten jedenfalls nicht. Es ist eine Strukturfrage. An Kirsten kam er nicht heran. Überall geht es

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