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Todesfalle Triton

Todesfalle Triton

Titel: Todesfalle Triton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Scheißkrater verloren?« Das Zittern hatte nachgelassen. Plutejo konnte seine Glieder und seinen Unterkiefer wieder kontrollieren.
    »Nichts mehr«, sagte Heinrich. »Vor vierzig Terrastunden stand dort unten noch die RHEINGOLD.«
    Plutejo spürte, wie sein Magen sich umdrehte. Er schluckte den Brechreiz hinunter. Er wollte einatmen, doch hinter seinem Brustbein lastete plötzlich ein Stein. Er wollte etwas sagen, doch seine Kehle war wie zugeschnürt.
    Am Rande des Kraters entdeckte das Bordhirn ein zweites Schiff und rechnete es ins Sichtfeld hinein. Ein Schlachtschiff. Es steckte schräg in einem See aus Stickstoff, der schon fast wieder zugefroren war. Ein Treffer hatte die Frontkuppel erwischt. Die Blasen, die das Material geworfen hatte, waren längst wieder erstarrt. Eis überzog sie. Die meisten seiner Landestützen waren zerstört. Unter dem aus dem See ragenden Schiffsschenkel waren einige Hangars zur Hälfte geöffnet. Aber nicht weit genug, um Sparklancer auszuschleusen. Durch die zerstörten Landestützen befand sich die Unterseite des Schiffes zu nah am Boden. Der Eisboden hatte die Hangarschotts blockiert. »Was schließen Sie aus diesem Anblick, Plutejo Tigern?«
    »Erstens: Dieses Wrack hat zuletzt geschossen. Zweitens: Da war es schon ein Wrack oder zumindest auf dem Weg, ein Wrack zu werden. Und drittens: Wer immer auf der RHEINGOLD das Feuer eröffnete – er hat verdammt gut gezielt.«
    Heinrich steuerte den Sparklancer aus der Dampfwolke heraus und nahm Kurs nach Norden. Im Sichtfeld entdeckten sie viele Spuren, die ebenfalls nach Norden führten. »Wir sind nicht die einzigen, die nach Mississippi wollen«, sagte Plutejo. Heinrich antwortete nicht.
    Kurz darauf entdeckte Plutejo einen Reflex im Sichtfeld. »Was ist das?«
    »Das Bordhirn hat ein Schiff geortet. Sechshundertfünfzig Kilometer hinter uns über dem südlichen Horizont.«
    »Bergen?«
    »Zu groß«, sagte der Roboter.
    Bald verschwand der Reflex aus dem Sichtfeld. Dafür entdeckten sie hundertachtzig Kilometer weiter eine Marschkolonne von zweihundert oder mehr Menschen in dunkelroten Überlebenssystemen. Die Besatzung des Schlachtschiffswracks. Heinrich flog über sie hinweg. »Sie sind schnell unterwegs«, sagte Plutejo.
    »Hätten sie ihre Beiboote benutzen können, wären sie längst in der Biosphäre«, sagte Heinrich.
    Drei Stunden später und siebzehnhundert Kilometer weiter entdeckten sie Lichter am Horizont.
     
    *
     
    Der Alte wartete. Wenn sein Bewußtsein sich für kurze Zeit klärte und er die Augen öffnete, sah er Natalya rechts neben seinem Bett sitzen und Karelya zu seiner Linken. Manchmal schwebte das Gesicht seines Letztgeborenen über ihm, dann spürte er Flüssigkeit auf seiner Zunge und schluckte.
    Manchmal war es Musik, die sein Bewußtsein zurück aus dem Dämmerland holten. Wenn er dann die Augen öffnete, stand sein Drittgeborener am Fußende des Bettes und spielte auf einer Flöte, und neben ihm, auf einem Hocker, saß der alte, treue Sigyard und strich die Violine. Dann lächelte der Alte, und mit der Erinnerung an lang zurückliegende Zeiten hob auch die Freude ihr gesenktes Haupt in seiner Brust, und sein Leben sah ihn freundlich und mit leuchtenden Augen an. In solchen Augenblicken weinte er.
    Meist hörte er kurz darauf die anderen schluchzen, seine Frauen, seine Eidleute und deren Kinder. Sie verstanden seine Tränen nicht, sie deuteten sie als Zeichen seines Abschiedsschmerzes.
    Nein, der Abschied tat nicht weh. Und wie leicht hätte er schon jetzt alles loslassen können, um durch die Dämmerung bis in die Nacht und durch die Nacht bis ins Nichts zu sinken. Seine Söhne, seine Frauen, seine Eidmänner, die RUBICON, Eddyseven, seinen Lieblingsroboter, seinen Atem und die Menschen, die auf der Schwelle zur Nacht mit ihm sprachen – wie leicht hätte er all das jetzt schon loslassen können. Aber er wartete.
    Also sank er immer wieder zurück in die Dämmerung vor der letzten Nacht. Dort sprach sein Erstgeborener mit ihm, dort sah er seine erste Frau, seine Schwiegertochter und seinen bislang einzigen Enkel wieder. Dort befahl er von seinem Kommandostand aus seinen Verband.
    Auch seine Mörderin begegnete ihm dort. Er sah die unförmige Fleischmasse ihrer Hand, ihr fettes Gesicht, ihre wäßriggrünen Augen, und seine Lippen berührten wieder und wieder die von Fett glänzende Haut ihrer Hand. Und wieder und wieder spürte er den salzigen, bitteren Geschmack auf seiner Zunge. Und wieder und wieder

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