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Todesfalter

Todesfalter

Titel: Todesfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Korber
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Hause auf dem Tisch auf, um es in dem Licht abzubilden, das durch die Hoffenster hereinfiel.
    So früh im Jahr war das Angebot noch nicht allzu groß. Rüben und Zwiebeln dominierten neben ein wenig frühem Salat, vorwiegend aus Wildkräutern. Die Freunde der Brennnessel fanden reichlich Vorrat so wie die der Fetten Henne und der Minze. Allein ihr Geruch und das viele Grün waren eine Wohltat, vor allem nach dem Inferno an Eindrücken um Sankt Lorenz. Maria erstand ein Bündel Petersilienwurzeln, dann fragte sie sich, ob sie noch einmal den Anblick der Hebamme auf sich nehmen sollte, die ganz in der Nähe im Prangereisen stand und vermutlich von allerlei Schaulustigen und quälfreudigen Lumpenkindern umlagert war. Sie könnte ihr einen Schluck Wasser anbieten und dabei ein paar Fragen stellen. Maria Sibylla war nicht sicher, ob ihre Kraft dafür heute noch reichen würde. Andererseits quälten sie die vielen offenen Fragen in diesem Fall. Es war wie mit einem Raupenei, das man auf einem Blättlein findet und von dem man sich beständig fragt, was wohl am Ende daraus schlüpfen mochte.
    Gerade, als sie sich entschlossen hatte, vernünftig zu sein und unverzüglich heimzukehren, sah sie ihn. Und er kam direkt auf sie zu.

10
    Sein Lächeln zeigte ihr, dass er sie erkannt hatte. Und zu ihrem Ärger bewies ihm die aufschießende Röte ihrer Wangen nur allzu deutlich, dass auch sie sehr wohl wusste, wer er war. – Nein, weiß ich nicht, versuchte sie sich zu wehren. Ich habe keine Ahnung, wer dieser dahergelaufene italienische Stuckateur ist. Ich kenne ihn ja kaum.
    Tatsächlich konnte sie sich nicht erklären, warum gerade dieser Mann unter all den vielen, die hier in den Straßen herumliefen, ihre Blicke auf sich zog. Warum nur weckte er in ihr dieses Gefühl, das sie bisher nicht kannte, nicht einmal aus der ersten Zeit mit Andreas? Dieser war, seit sie denken konnte, ein Teil ihrer Familie gewesen, und niemals hatte sie es als unvernünftig empfunden, sich mit ihm vertraut zu fühlen.
    War es Morettis Gestalt? So gut sah er doch nicht aus mit dem dunklen Gesicht, den staubigen Haaren, die ihm über die Augen fielen, und – sie bemerkte es im selben Moment – der Narbe über dem Mund. Er war nicht größer als andere, nicht athletischer. Trotzdem musste sie ihn immer wieder anschauen. Wie ein Magnet zog er ihre Blicke an. Inzwischen kannte sie schon die Art, wie er die Schultern hielt, wie er ging und den Kopf wiegte, wie das Lachen in seinem Gesicht aufblühte, wenn ihm etwas gefiel. So wie jetzt. Ihr Gefühl ihm gegenüber war vollkommen unlogisch, unvernünftig und unsinnig dazu.
    »Ah, die signora, die nicht bella sein will.«
    »Ihr sprecht ja Deutsch!« Maria Sibylla biss sich auf die Lippen. Das war nicht die strenge Antwort, die sie geplant hatte.
    Er lachte, und sie fühlte sich wie ein dummes Kind. »Bin ich arbeiten schon so lange hier heroben«, sagte er. »Jetzt für den Rat Behaim.«
    »Ich weiß«, fiel Maria ihm ins Wort. Viel zu schnell, viel zu kurzatmig. Kein Wunder, dass er wieder lachte. Er tat es mit leuchtenden Zähnen, weiß wie der Gips, mit dem er arbeitete. Er tat es viel und gern. Und sie schaute ihm staunend dabei zu.
    Plötzlich hob er die Hand. Und ehe sie es verhindern konnte, strich er ihr ein paar ihrer widerspenstigen Kraushaare hinter das Ohr. Das ging nun wirklich zu weit. Sie sollte ihn abwehren oder einen Schritt zurücktreten, sich das streng verbitten oder zumindest schauen, dass kein Nachbar es bemerkte. Stattdessen stand sie da und zitterte wie eine Pappel.
    »Bella« ,sagte er im Ton von jemandem, der eine unumstößliche Wahrheit verkündet. »Ich weiß, bin ich Künstler wie Ihr. Ich kann mit mehr als die Augen sehen.«
    »Nun«, entgegnete Maria Sibylla steif. »Ich meinerseits bin völlig zufrieden, wenn ich meinen Augen trauen darf.«
    Moretti schüttelte den Kopf. »Nein, nicht zufrieden. Ihr nicht. Aber Ihr werdet. Ihr seid mutig. Eines Tages …« Er machte eine Handbewegung, die den Abflug eines Vogels andeuten mochte. »Dochdochdochdoch«, fuhr er fort, als sie den Mund öffnete, um zu widersprechen.
    Er klopfte sich an die Brust. »Herz wild. Wilde Herz bleibt nicht in kleine Stadt in kleine Haus.«
    »Also wirklich«, entfuhr es Maria Sibylla, und sie ertappte sich bei dem trotzigen Gedanken, dass ihr Haus so klein nun auch wieder nicht war. Aber im selben Moment wurde ihr klar, dass ihr Herz tatsächlich nicht daran hing. Nicht am Haus, nicht am guten Namen

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