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Todesfalter

Todesfalter

Titel: Todesfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Korber
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Häusern am Egidienplatz.«
    Es hätte wie ein Lob klingen können, aber aus seinem Mund kam es Maria Sibylla wie eine Beleidigung vor. Und sein schmieriges Lächeln machte klar, dass es auch so gedacht war.
    Der Wirt stieß den Mann an, der noch immer am Boden lag. »Steh auf, Matthias«, sagte er. »Die Auslösung kommt.«
    Der Angesprochene grunzte nur und hob kaum den Kopf.
    »Mit dem da hab ich nichts zu schaffen«, beeilte Maria sich einzuwenden.
    »Der da«, erwiderte der Wirt, »ist ein Sohn vom Professor Arnold, der am Egidianeum unterrichtet. Der Alte ist aber nicht nur ein Professor, sondern auch ein Geistlicher, und Verse macht er auch. Genau wie sein Sohn, wenn er geladen hat.« Der Wirt lachte. »Nur als Erzieher scheint er mir nicht so erfolgreich.«
    Widerwillig warf Maria Sibylla einen zweiten Blick auf den Säufer zu ihren Füßen und musste ihm im Stillen recht geben: Trotz der Vernachlässigung war die Weste des Mannes nobel, die Hosen mussten teuer gewesen sein, und die Stiefel ließen unter all dem Staub und Schmutz feines Leder erkennen. Vermutlich war er tatsächlich, was der Wirt sagte: ein gefallener Sohn aus gutem Hause, der jetzt gegen Mittag zurückkriechen würde in sein bürgerliches Heim, um sich die Schelte abzuholen und sich dann an das Schreibpult zu stellen. So wie ihr Andreas auch.
    »Er und Euer Mann haben hier gestern eine gewaltige Zeche auflaufen lassen.« Der Wirt fasste sie ins Auge und nannte eine Summe, die die Malerin blass werden ließ.
    »So viel hab ich nicht bei mir«, rief sie. »Wie soll das denn gegangen sein?«
    »Gott, wenn zwei die ganze Nacht hocken und dabei den Laden aushalten, da kommt schnell was zusammen. Außerdem haben sie mir Teller zerschmissen und einen Tisch.«
    »Die ganze Nacht?« Langsam ging Maria auf, was er da sagte. »Ihr meint, mein Andreas war die ganze letzte Nacht bei Euch?«
    »Vom Neune-Läuten bis es fast hell war. Habt Ihr ihn nicht heimkommen hören?«
    Doch, aber ich wusste nicht, woher er gekommen ist, dachte Maria und frohlockte innerlich. Andreas war nicht vor dem Laufer Tor gewesen, weder da noch irgendwo anders mit dem Weib – mit der Beata, wie sie sich rasch verbesserte. Jetzt, wo sie sicher war, dass ihr Mann kein Mörder sein konnte, wollte sie dem Mädel nichts nachtragen. Gesehen freilich musste er sie irgendwann haben. Von recht Nahem wohl. Oder war das alles nur Zufall mit dem Rock? Die Zweifel kehrten wieder, und Maria wusste nicht, was sie denken sollte. Seid Ihr Euch da so sicher?, wollte sie fragen, wagte es aber nicht. Stattdessen sagte sie: »Und der hier war dabei? Ihr könnt es mir bezeugen?«
    Der Wirt meinte, sie spreche von der Höhe des Betrages, und zog die Stirn in Falten. Nachdenklich betrachtete er den jungen Mann am Boden, der sich jetzt stöhnend aufsetzte und sich wie ein Kind mit den Fäusten die Augen rieb. Offenbar überlegte er, was ihm zuzutrauen war, wenn er wieder in ordentlicher Verfassung wäre, und was er seinerseits über die gestrige Nacht zu sagen hätte. »Na gut«, meinte er. »Den Tisch nehm ich auf meine Kappe. Man ist ja kein Unmensch.«
    Maria Sibylla presste die Lippen zusammen. Sie nickte dem Wirt zu. »Ich schicke jemanden«, sagte sie nur knapp, wobei sie sich vornahm, ihm die Hälfte des Betrags zukommen zu lassen und abzuwarten, ob er sich beschwerte. Zu viel war es vermutlich immer noch.
    Wie eine Schlafwandlerin ging Maria heimwärts. In ihrem Kopf wälzte sie die schwere Frage, ob sie jemals geglaubt hatte, dass Andreas der Mörder sein könnte. Und falls ja, was folgte daraus für ihre Ehe?
    Erst als sie vor der Spitalapotheke stand, wurde ihr klar, dass sie nach der Brücke ohne nachzudenken nach rechts abgebogen war. Daher beschloss sie, den Heimweg über den Obstmarkt zu nehmen. Diesen Ort liebte sie, weil es da manchmal so zart und aromatisch roch wie sonst nirgendwo in der Stadt. Bisweilen verirrte sich hierher sogar ein Falter, oder auf den angebotenen Bauernsträußen fanden sich noch Raupen, die die fleißigen Pflückerinnen übersehen hatten. Aber auch so waren die schlichten Arrangements doch immer eine Augenweide und eine Anregung für Marias Malerinnen-Sinn. Dorothea, erinnerte sie sich, war einmal sogar so weit gegangen, sich mit ihren Aquarellfarben auf einem Schemel in einer Ecke des Marktes niederzulassen, um etwas von der Farbenpracht der Stände festzuhalten. Ihr Vater allerdings hatte es ihr bald untersagt, und so reihte sie das Obst jetzt wieder brav zu

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