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Todesfalter

Todesfalter

Titel: Todesfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Korber
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arbeite, damit wir in Nürnberg auf einen grünen Zweig kommen. Und kaum habe ich es geschafft, da … Dein Name wurde im Rat genannt.«
    »So?«, fragte sie und kramte betont aufmerksam im Sandelholzkästchen nach der Brosche, mit der sie das Tuch am Kleid zu befestigen pflegte. »Und du weißt neuerdings, was im Rat geredet wird?« Sie konnte nicht anders, sie verzog das Gesicht. Da hintertrug einer etwas dem Graff, wenn dieser getrunken hatte, und lachte sich dann wahrscheinlich krumm, wenn er dann bleich nach Hause rannte. Aber um seiner Frau Ärger zu bereiten, reichte es allemal. »Andreas, bitte.« Sie wollte sich endgültig losmachen, um ihren Aufzug zu beurteilen.
    Zu ihrer Überraschung packte er sie an beiden Handgelenken und zwang sie, sich zu ihm umzudrehen. »Ich versuche, uns etwas aufzubauen.« Er knirschte mit den Zähnen.
    In Maria siegte die Wut. »Wann?«, fragte sie. »Als du den bestellten Prospekt für die Behaims nicht zu Ende gestochen hast? Oder neulich im Frohen Prediger? Oder bei deinem Geschäftsfreund Hoffmann? Ach, sag doch, Andreas, wenn du beim Verleger Hoffmann schon ein und aus gehst: Hast du da mal eine Magd mit Namen Beata getroffen? Jung und blond und hübsch? Sie wäre dir aufgefallen.«
    Ihr Mann ließ sie los. Völlig konsterniert starrte er sie an. »Da gibt es keine solche Magd«, stotterte er. »Von der habe ich nie gehört.«
    »Das lügst du, Andreas.« In ihrer Stimme lag Triumph. Sie war sich sicher. Sie sah es immer, wenn sein Blick wegflatterte von ihrem, wenn die Muskeln um den Mund sich verzogen und seine Linke an der rechten Hemdmanschette zu zupfen begann wie eben jetzt. Er log sie an! Mit Mühe musste sie sich beherrschen und sich selber sagen, dass der Wirt des Frohen Predigers ihn von jeder Schuld freigesprochen hatte. »Und doch gibt es sie.«
    »Bist du jetzt völlig verrückt geworden?« Er holte tief Luft. »Maria!« Seine Stimme wurde weicher. »Maria, was ist nur los? Das sind doch nicht wir!« Er griff nach ihrer Hand. Da war es wieder, der kindliche Klang, die Weichheit in seinen Augen. Wie oft hatte er ihr so schon kleine Dummheiten gebeichtet. Und anfangs hatte sie immer gemeint, ihn dafür nur umso mehr lieben zu müssen.
    Jetzt schloss sie die Augen. »Andreas«, sagte sie müde. »Wenn irgendwas geschieht. Wenn das Schlimmste passiert: Denk dran, dass der Wirt vom Frohen Prediger dir ein Alibi geben kann. Hier.« Ihr fiel ihre Börse ein, in der noch das Geld lag, das sie nicht für die Ananas ausgegeben hatte, nicht für ihre große Flucht. »Nimm und bezahl ihn. Und sprich ihn drauf an, dass er sich auch erinnert, wenn ihn einer fragt.«
    »Maria«, stammelte Andreas.
    Aber sie ging an ihm vorbei zur Tür hinaus.
    »Ach Gott, ach Gott.« Anna stand auf dem Treppenabsatz, sie hatte nicht aufgehört zu jammern.
    »Also wirklich, Annchen.« Maria Sibylla bemühte sich um einen leichten Ton. »Jetzt werde ich aber bald ernsthaft böse. Wenn der Herrgott mich holen kommt, erfährst du es als Erste.«
    »Damit macht man keine Scherze«, rief die Magd erschrocken aus.
    Ihre Herrin aber rauschte mit gerafften Röcken die Treppe hinunter und schlug unten die Tür hinter sich zu. An der frischen Luft atmete Maria kurz auf. Im tiefsten Inneren ihres Herzens gab sie Anna recht.

22
    Ein junger Mann mit aufgescheuerten Jackenärmeln, in dem Maria einen aufstrebenden Konsulenten vermutete, wies sie an, in einem Vorzimmer auf den Rat zu warten, da der Herr Lochschöffe noch beschäftigt sei. Maria nahm auf einem hölzernen Stuhl Platz und sprang bald wieder auf, tigerte in ruhelosem Auf und Ab an der dunklen Wandvertäfelung entlang, die sie von ferne an Chorgestühl erinnerte. Die Zeit zog sich endlos, einmal hörte sie die Glocken der Frauenkirche und kurz darauf die von Sankt Sebald läuten, sie fragte sich schon, ob sie ewig so warten sollte, als plötzlich die Tür aufging.
    »Dr. Peller!«, rief sie überrascht aus.
    Maria Sibylla sah mit Erschrecken, in welch schlechtem Zustand sich der Arzt befand. War er damals auf dem Johannisfriedhof schlank gewesen, so fand sie ihn jetzt mager. Auf seiner Jacke waren Flecken. Seine Perücke, die bei ihrem letzten Treffen schon recht zerzaust gewirkt hatte, saß nun schief über der Stirn, auf der in großen Tropfen der Schweiß stand. Peller schien sie nicht zu erkennen, ließ sich aber von ihr zu einem Stuhl führen, wo er mit zitternden Knien auf den Sitz sank. Eine Zeit lang starrte er vor sich hin, er schien

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