Todesfee
Fidelma ihn nun in schärferem Ton auf.
»Es ist nur … ganz allein ist die junge Frau nicht weitergeritten.«
Seine Frau fuhr mit grimmigem Blick zu ihm herum.
»Es war an diesem Abend niemand sonst bei uns im Gasthaus. Was erzählst du denn da, Mann?«
»Ich habe der jungen Frau in den Sattel geholfen, und sie ist vom Gasthof weggeritten. Aber als der Weg dann nach Süden schwenkte, da habe ich gesehen, dass sich auf der Kuppe des Hügels jemand mit einem kleinen Eselskarren zu ihr gesellte.«
|39| »Jemand hat sich zu ihr gesellt? Ein Mann oder eine Frau?«, wollte Fidelma wissen. »Hast du das gesehen?«
»Ein Mann.«
Abt Laisran sprach zum ersten Mal.
»Das ist dann wohl unser Mörder«, meinte er mit einem Seufzer. »Also doch ein Straßenräuber. Jetzt werden wir nie erfahren, wer der Schuldige war.«
»Straßenräuber fahren keine Eselskarren«, erwiderte Fidelma.
»Es war kein Straßenräuber«, stimmte ihr Echen zu.
Alle fuhren überrascht zu dem kleinen Mann herum.
»Dann sag ihnen doch endlich, wer es war, du dummer Kerl!«, brüllte Corbnait ihren unglückseligen Gatten an.
»Es war der junge Finn«, erklärte Echen, den dieser laute Tadel sichtlich verletzt hatte. »Er hütet kaum eine Meile von hier in Slieve Nuada die Schafe.«
»Ah, das ist wirklich ein seltsamer Bursche«, sagte Corbnait, als wäre nun alles zu ihrer Zufriedenheit geklärt. »Die Eltern sind vor drei Jahren gestorben. Seither führt er ein Einsiedlerleben. Das ist gegen die menschliche Natur, wenn ihr mich fragt.«
Fidelma blickte von Corbnait zu Echen und sagte: »Ich möchte, dass einer von euch zur Abtei reitet und sich den Leichnam ansieht, damit wir absolut sicher sein können, dass es die junge Frau ist, die hier eingekehrt ist. Wir müssen unbedingt wissen, wer sie ist.«
»Das soll Echen machen. Ich habe zu tun«, grummelte Corbnait.
»Und dann brauche ich eine Wegbeschreibung zu dem Ort, wo sich der junge Finn aufhält.«
»Slieve Nuada, das ist der hohe Hügel, den man von hier aus sehen kann«, mischte sich Abt Laisran ein. »Ich kenne den Berg, und ich kenne den Jungen.«
|40| Kurze Zeit später waren sie bereits bei der Wohnstatt des jungen Mannes angelangt, einer Schäferhütte. Die Schafe grasten am Hang und scherten sich nicht um die Ankunft der Fremden. Fidelma bemerkte, dass ihre weißen Felle mit blauer Farbe gekennzeichnet waren, um die Herde zu markieren, wenn sie sich während des Grasens auf dem Gemeindegrund mit anderen Herden vermischte.
Finn hatte ein wettergegerbtes Gesicht. Er war ein gutaussehender junger Mann mit einem roten Haarschopf. Er kniete rittlings auf einem am Boden liegenden Schaf, dessen Bauch ungeheuer, beinahe unnatürlich aufgedunsen war, ganz so als wäre es trächtig. Während sie herbeiritten, bemerkte Fidelma, wie der junge Mann einen dünnen, nadelartigen Gegenstand in den Bauch des Schafes rammte. Dann hörte man ein seltsames Zischen, und die Schwellung schien zu verschwinden, ohne dass dem Schaf ein Leid geschehen war. Sobald der Hirte das Tier losließ, taumelte es fort und blökte ärgerlich.
Der junge Mann schaute auf und erkannte Abt Laisran. Er legte die
biorracha
zur Seite und kam freundlich lächelnd auf sie zu, um sie zu begrüßen.
»Abt Laisran. Ich habe dich seit der Beerdigung meines Vaters nicht gesehen.«
Sie stiegen ab und banden ihre Pferde an.
»Du hattest anscheinend ein Problem«, meinte Abt Laisran und deutete auf das Schaf.
»Manche von den Tieren fressen Pflanzen, die ihnen nicht bekommen. Das führt zu Blähungen. Dann schwillt ihr Bauch an wie ein Sack voller Luft, und man muss eine Nadel hineinstechen, damit das Gas entweicht. Es ist ein einfacher Vorgang und tut dem Tier überhaupt nicht weh. Bist du gekommen, um Schafe für die Abtei zu kaufen, Laisran?«
»Ich fürchte, wir sind in einer traurigen Angelegenheit hier«, |41| antwortete Laisran. »Das hier ist Schwester Fidelma, eine
dálaigh
.«
Der junge Mann runzelte die Stirn.
»Ich verstehe nicht ganz.«
»Vor zwei Tagen bist du auf der Straße vom Gasthof in Ballacolla einer jungen Frau begegnet.«
Finn nickte sofort.
»Das stimmt.«
»Wieso hast du sie belästigt?«
»Belästigt? Ich verstehe nicht recht.«
»Du bist mit deinem Eselskarren gefahren?«
»Ja.«
»Sie war zu Pferd?«
»Ja. Sie ritt eine schwarze Stute.«
»Wieso hast du sie angesprochen?«
»Es war Segnat aus Tir Bui. Ich bin oft mit meinem Vater, er möge in Frieden ruhen, zur Festung ihres
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