Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesfee

Todesfee

Titel: Todesfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
Vom Netzwerk:
um ihr aus dem Weg zu gehen.
    »Keine Zeit«, warf sie ihm atemlos zu, während sie mit fliegenden Haaren und flatterndem Habit im gleichen atemberaubenden Tempo weiterflitzte.
    »Brehon Morann sucht dich«, rief der Mönch noch hinter ihr her.
    »Ich weiß«, erschallte ihre Stimme. »Ich bin unterwegs zu ihm.«
    »Du kommst zu spät zur Prüfung«, fügte der junge Mönch noch hinzu, ehe ihm klar wurde, dass sie ihn wahrscheinlich schon gar nicht mehr hören konnte. Er blieb einen Augenblick stehen und schaute ihr missbilligend hinterher, während sie auf ein graues Steingebäude zurannte, das den Mittelpunkt der Hohen Schule bildete. Dann zuckte er die Achseln und ging weiter seines Wegs.
    Fidelma war sich nur zu bewusst, dass sie zu ihrer Prüfung bei Brehon Morann von Tara zu spät kam. Es war eine von mehreren Prüfungen, die sie abzulegen hatte. Sie hoffte, danach den Titel einer
dos
erworben zu haben und damit das vierte Studienjahr |103| an der Hohen Schule abzuschließen, dessen Rektor Morann war. Der Titel hieß
dos
, weil man der Meinung war, dass der Student nun ein junger Baum war, der sich weiterentwickeln würde – denn genau das bedeutete dieses Wort. Die Prüfungen, denen sich Fidelma gerade unterzog, waren die ersten zum Abschluss ihrer juristischen Studien. Gleichzeitig würde dieser Titel die erste Stufe auf der Leiter im Rechtsanwaltsberuf sein. Er eröffnete einem die Möglichkeit, als Richter in den unteren Rängen oder als Rechtsberater zu wirken. Fidelma allerdings wollte höher hinaus. Doch wenn sie nicht zur vereinbarten Zeit zur Prüfung erschien, würde nicht einmal aus diesem ersten Abschluss etwas werden.
    Brehon Morann war ganz allein in seinem Arbeitszimmer. Er saß hinter seinem Schreibtisch, als Fidelma seiner mürrischen Aufforderung zum Eintreten folgte, mit der er auf ihr schüchternes Klopfen reagiert hatte. Er war ein älterer Mann mit einem freundlichen Gesicht. Aber von einer Sekunde zur anderen konnte es auch strenge Missbilligung ausdrücken. Genau das war jetzt geschehen.
    »Nun, Fidelma«, sagte er leise, als sie keuchend vor ihm stand. »Heißt es nicht, dass die Richter beginnen, die Fehler derjenigen zu zählen, die sie warten lassen?«
    Fidelma errötete verärgert.
    »Fer-leginn«
, redete sie ihn mit seinem offiziellen Titel als Rektor an, »es ist nicht meine Schuld, dass …«
    Sie merkte, dass er ärgerlich die Stirn runzelte, und machte sofort den Mund wieder zu.
    »Die sind wahrhaftig gut, die ohne Schuld sind«, sagte Brehon Morann seufzend. Sein Gesicht wirkte immer noch finster, aber es war schon wieder ein Zwinkern in seinen hellen Augen zu sehen. Sie hätte schwören können, dass er sich über sie lustig machte. »Was sagtest du, Fidelma?«
    |104| Sie schüttelte den Kopf.
    »Es tut mir leid, dass ich zu spät komme.« Sie versuchte, einen zerknirschten Eindruck zu machen. Aus irgendeinem Grund hatte jemand den Schlüssel ihrer Kammer von außen im Schloss herumgedreht, und sie hatte eine ganze Weile gebraucht, um jemandes Aufmerksamkeit zu erregen und aus ihrer Gefangenschaft befreit zu werden. Sie hegte einen tiefen Groll gegen denjenigen, der ihr diesen albernen und hinterlistigen Streich gespielt hatte. Dass es ausgerechnet heute, am Tag ihrer Prüfung, geschehen war, erhöhte nur ihre Rachegelüste. Doch Brehon Morann hatte im Laufe der Jahre zweifellos von seinen Studenten schon alle möglichen Ausreden zu hören bekommen. Sie hatte wirklich eine gute Entschuldigung vorzubringen, aber der Versuch, das alles jetzt zu erklären, würde keineswegs dazu dienen, das Bild zu verbessern, das sich ihr verehrungswürdiger Prüfer von ihr machte.
    »Dann will ich mal akzeptieren, dass es dir leid tut«, erwiderte der Brehon feierlich, lehnte sich zurück und legte die Fingerspitzen beider Hände aneinander, sodass sie sich unter seinem Kinn berührten. »Setz dich.«
    Fidelma nahm Platz und fühlte sich irgendwie ungerecht behandelt.
    »Sag mir, was du über den ›Makel‹ weißt.«
    Brehon Morann stellte diese Frage ohne Umschweife, und Fidelma brauchte eine Weile, um ihre Gedanken zu sammeln.
    »Den Makel? Du meinst, was der Makel rechtlich gesehen bedeutet?«, fragte sie zurück, um Zeit zu gewinnen.
    Wieder zeigte sich das ärgerliche Stirnrunzeln auf der Stirn von Brehon Morann. »Du bist doch auf dieser Hohen Schule, um Recht zu studieren«, meinte er trocken.
    Fidelma begann zu sprechen und hoffte, dass während des Sprechens die Erinnerung

Weitere Kostenlose Bücher