Todesfee
von unschätzbarem Wert.«
»In anderen Königreichen gibt es viele ähnliche Symbole«, merkte Fidelma leise an.
»Wir reden hier aber nicht von anderen Königreichen«, rief Firbis. »Ich spreche von Tethbae! Der Schädel von Maine war also von unschätzbarem Wert, und er hatte in Catharnaighs Burg einen Ehrenplatz.«
Er starrte Fidelma an, als fordere er sie heraus, etwas zu sagen. Als sie das nicht machte, fuhr er fort: »Catharnaigh und sein Gefolge hatten die Burg verlassen, um sich ein Hurley-Spiel anzusehen. Niemand außer Sochla war zurückgeblieben. Es war ihre Aufgabe, für die Rückkehr des Königs ein Festmahl vorzubereiten. Als Catharnaigh zurückkam, stellte er fest, dass die Schatulle mit dem Schädel fehlte. Nur Sochla war während seiner Abwesenheit in der Burg gewesen, und sie wurde herbeigerufen. Sie bestritt die Tat. Doch war Catharnaigh misstrauisch geworden. Man durchsuchte Sochlas Unterkunft und entdeckte dort unter dem Bett der Frau die Schatulle. Ein Brehon wurde geholt, und er hörte den Fall an. Sochla wurde des Diebstahls für schuldig befunden.«
Firbis lehnte sich zurück.
»Das war der Fall. Hat der Brehon ein richtiges oder ein falsches Urteil gefällt?«
Fidelma saß eine Weile ruhig da. Dann hob sie ihre schmalen Schultern und ließ sie wieder sinken.
»Es ist unmöglich, anhand dessen, was ich bis jetzt über den Fall weiß, darauf zu antworten.« Sie schaute rasch zu Brehon |111| Morann hin. »Ich nehme an, dass ich Fragen an den
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stellen darf, ehe ich eine Meinung äußere?«
»Ich dachte, der Fall läge mehr als klar, junge Frau. Die Schatulle wurde unter Sochlas Bett gefunden. Hast du das überhört?«, sagte Firbis.
»Nein, das habe ich nicht«, erwiderte Fidelma.
»Das ist doch wohl eindeutig. Sicherlich willst du nicht unsere Zeit verschwenden? Hier gibt es nur ein Ja oder Nein. Wurde also ein richtiges oder ein falsches Urteil gefällt, als man Sochla des Diebstahls schuldig sprach?«
Fidelma wandte sich an Brehon Morann.
»Ich denke, es ist nur recht und billig, dass ich Fragen stelle«, sagte sie störrisch. Sie war entschlossen, sich von dem
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nicht ins Bockshorn jagen zu lassen. »Man kann ein Urteil erst bewerten, wenn man genau weiß, was geschehen ist.«
Der Brehon lächelte gewichtig. »Du darfst fragen, aber verschwende keine Zeit.«
»Was hat der Brehon, der die Frau schuldig sprach, als Motiv angenommen?«, wollte Fidelma von Firbis wissen.
Der blinzelte und schaute mit hochgezogenen Augenbrauen zu Brehon Morann. Dann zuckte er die Achseln.
»Bei einer so unschätzbar wertvollen Reliquie würde ich doch meinen, dass das Motiv klar ist.«
»Wirklich? Ich hätte gedacht, dass das Motiv durch ihren Wert nur geheimnisvoller würde.«
Firbis’ Augen verengten sich. Ehe er antworten konnte, stellte Fidelma schon die nächste Frage: »War diese Sochla klug? War sie schwachsinnig oder hatte sie irgendwelche anderen Behinderungen, die es ihr an gesundem Menschenverstand mangeln ließen?«
»Sie war klug«, antwortete Firbis gepresst.
»Dann muss sie gewusst haben, dass es unmöglich sein würde, |112| finanziellen Gewinn aus einem so kostbaren Gegenstand wie dem Schädel von Maine von Tethbae zu schlagen. Wer würde ihn denn kaufen wollen, außer jenen, für die er so unschätzbar kostbar war?«
»Sie hätte von König Catharnaigh ein Lösegeld erpressen können, damit sie den Schädel zurückbrachte«, wandte Brehon Morann ruhig ein.
»Das wäre doch genauso widersinnig«, antwortete Fidelma. »Sobald sie erklärt hätte, dass sie die Schatulle und den Schädel in ihrem Besitz hat, wäre sie in einer angreifbaren Position gewesen. Selbst wenn sie erfolgreich verhandelt hätte, so hätte sie sich danach zu einem Leben im Exil verdammt, fern von Tethbae und außerhalb der Reichweite des Königs. Nein, das Motiv kann nicht Gewinnsucht gewesen sein … wenn die Frau, wie du sagtest, klug war.«
Firbis rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
»Willst du damit sagen, dass du allein deshalb annimmst, der Richter hätte ein falsches Urteil gefällt?«
Fidelma schüttelte sofort den Kopf.
»Nicht nur aus diesem Grund nehme ich das an.« Sie lächelte leise. »In allen Fällen gibt es, wie du weißt, ein Motiv, die Mittel und die Gelegenheit zur Tat. Alle drei Dinge müssen zusammenkommen. Du sagst mir, dass die Gelegenheit bestanden hat … dass Sochla allein in der Burg war, als alle anderen sich ein Hurley-Spiel anschauten.
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