Todesfee
sie von Brehon Gormán bereits ungeduldig erwartet wurden.
»Das Urteil im Fall von Bruder Eolang wurde jetzt volle vierundzwanzig Stunden hinausgezögert. Ich hoffe, dass dies keine Zeitverschwendung war.«
»Gerechtigkeit, wie du wohl weißt, Brehon Gormán, ist nie eine Zeitverschwendung. Ich habe Bruder Conchobar gebeten, draußen zu warten, während wir nun den Augenzeugen anhören.«
|97| Sie deutete auf Ferchar.
Brehon Gormán musterte den jungen Krieger.
»Nenn deinen Namen und deine Stellung.«
»Ich bin Ferchar aus der Garde des Königs Colgú, und ich verrichte für ihn die Dienste eines Boten.«
»Was hast du zu dem Mord an Bruder Eolang zu sagen?«
Ferchar schaute ihn verwundert an, und Fidelma mischte sich ein.
»Er meint den Tod von Bruder Eolang, dem Bruder, der am Steg gefunden wurde.«
Brehon Gormán reagierte empört auf diese Berichtigung.
»Das habe ich gemeint«, sagte er mit verkniffener Miene.
»Ich ritt gerade am anderen Ufer des Sees entlang in Richtung Cashel«, hob Ferchar an. »Auf der anderen Seite des Sees, also auf dieser Insel, sah ich einen Mönch, der sein Boot an einem der Seitenstege des Klosters festmachte.«
»Ich glaube nicht, dass wir Beweise dafür benötigen, dass es Bruder Eolang war. Er brachte das Boot zum Anlegesteg beim Kräutergarten, wo man ihn dann gefunden hat«, wandte Fidelma ein.
Brehon Gormán forderte Ferchar mit einer ungeduldigen Handbewegung zum Weiterreden auf.
»Der Mönch band das Boot fest und ging den Steg entlang, als er plötzlich unvermittelt stehenblieb und kehrtmachte, um zum Boot zurückzugehen. Er schaute nun in meine Richtung. Dann wich er seltsamerweise zurück. Ich hörte ein Krachen. Er taumelte und fiel seitlich vom Steg. Ich begann zu schreien, um jemanden zu Hilfe zu rufen. Ich schrie einige Minuten lang, da sah ich einen anderen Mönch aus einem Tor kommen. Er hörte meine Stimme, aber ich bezweifle, dass er meine Worte verstanden hat. Ich deutete mit Gesten auf die Stelle, wo der andere Mönch ins Wasser gefallen war. Schließlich muss er ihn gesehen |98| haben, denn er winkte mir zur Bestätigung zu, sprang ins Wasser und holte den Mann ans Ufer. Da der andere Mönch gekommen war und mir nichts mehr zu tun übrig blieb, ritt ich weiter. Dass der erste Mönch in der kurzen Zeit ertrunken war, war mir nicht klar.«
»Bist du sicher, dass zu der Zeit, als der Mönch ins Wasser fiel, niemand sonst dort war? Der Mönch war also allein auf dem Steg?«
»Es war sonst niemand da«, bestätigte Ferchar.
»Aber du hast ein Krachen gehört?«, fuhr Brehon Gormán dazwischen.
»Ja. Als bräche ein Ast.«
»Vielleicht hat jemand einen Speer auf ihn geworfen, sodass er nach hinten fiel … oder ihn mit einer Schleuder angegriffen?«, schlug der Brehon vor.
»Er schaute in meine Richtung. Der Abstand war zu groß, als dass jemand ihn von meinem Ufer aus mit einem Speer oder einer Schleuder hätte treffen können. Nein, es war niemand in der Nähe, als der Mann in den See fiel.«
»Willst du behaupten, dass dies die Tat einer übernatürlichen Macht war?«, fragte der Brehon und fuhr zu Fidelma herum. »Was ist mit der Prophezeiung? Du kannst doch nicht leugnen, dass sie sehr präzise war.«
Fidelma lächelte Ferchar an und sagte zu ihm: »Warte draußen und bitte Bruder Conchobar, zu uns zu kommen.«
Einen Augenblick später trat der alte Astrologe ein, und Fidelma bat den Brehon, das Horoskop vor ihm auszubreiten.
»Conchobar, würdest du dir bitte dieses Horoskop ansehen und uns deine Meinung dazu sagen?«, forderte sie ihn auf.
Der alte Mann nickte. Er verbrachte einige Zeit über das Pergament gebeugt und schaute dann auf.
»Es ist ein gutes Horoskop. Fachmännisch erstellt.«
|99| Brehon Gormán lächelte.
»Du stimmst also, gelehrter Conchobar, den Schlussfolgerungen zu, die Eolang gezogen hat?«
»Die meisten sind zutreffend …«, erklärte der alte Astrologe.
Fidelma konnte sehen, wie das Lächeln des Brehon breiter wurde, aber Bruder Conchobar fuhr bereits fort: »… bis auf einen wichtigen Punkt. Bruder Eolang scheint vorausgesagt zu haben, dass er innerhalb einer Woche nach dem Zeitpunkt sterben würde, an dem dieses Horoskop erstellt wurde. Es sollte an dem Tag geschehen, an dem Merkur und Jupiter in perfekter Konjunktion stehen.«
»Richtig. Am ersten Tag des Monats Aibreán. Und genau an diesem Tag wurde er getötet, exakt wie vorhergesagt«, bestätigte der Brehon ihm. »Das kannst du nicht
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