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Todesfee

Todesfee

Titel: Todesfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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tatsächlich Wolf. Der Mann sah wirklich aus wie ein Raubtier.
    Fidelma hielt sich gerade in dem Kloster auf, das Molena auf Dair Inis, der Insel der Eichen, gegründet hatte und das am |130| Ufer des Abhainn Mór, des Großen Flusses, unweit der Handelssiedlung mit dem Namen Eoachaill, also Eibenwald, lag, die über die Flussmündung wachte. Dort befand sich ein geschäftiger Handelshafen, und Fidelma war schon oft auf Reisen hier durchgekommen. Sie hatte gerade die erste Nacht im Kloster verbracht, als Abt Accobrán sich ein Fieber zugezogen hatte, das ihn bettlägerig machte. Er hatte Fidelma, die die nötige juristische Qualifikation besaß, gebeten, an seiner Statt als Brehon zu walten und vor Gericht in den für den nächsten Tag anstehenden Fällen die Urteile zu sprechen.
    Nun saß also Fidelma da und bemühte sich, ihre Vorurteile zu unterdrücken, während die beiden Händler aus Eochaill vor ihr standen und ihre Behauptungen und Gegenbehauptungen vortrugen.
    »Ich verlange Ersatz für den Verlust meiner Waren«, wiederholte Abaoth störrisch.
    »Und ich weise diesen Anspruch zurück«, erwiderte Olcán energisch.
    »Der
scriptor
hat mir bereits mitgeteilt, welcher Art eure Ansprüche sind«, erwiderte Fidelma mit scharfer Stimme. »Allerdings kenne ich keine Details. Wir wollen mit dir anfangen, Abaoth. Du bist Händler in Eochaill?«
    Der mondgesichtige Mann nickte zustimmend.
    »Das bin ich, gelehrte
ollamh
«, antwortete er unterwürfig.
    »Ich bin keine
ollamh
«, gab Fidelma zurück. Sie war sich sicher, dass der Mann das sehr wohl wusste. »Ich bin eine
dálaigh
, aber trotzdem qualifiziert, deinen Fall anzuhören. Fahre fort.«
    »Gelehrteste
dálaigh
, ich treibe Handel mit Britannien, Sachsen und Franken. Ich besitze eine kleine Flotte von Handelsschiffen, die Lederwaren und die Felle von Ottern und Eichhörnchen vor allem ins Gebiet der Franken bringen und, mit |131| Korn und Wein beladen, zurückkehren. Meine Schiffe löschen ihre Ladung in Eochaill, wo ich die Kähne von Olcán anmiete, um die Ware den Abhainn Mór entlang nach Lios Mór zu transportieren.«
    »Du verkaufst also deine Waren dort an das Kloster?«
    Fidelma kannte das Kloster, das dreißig Jahre zuvor von Carthach gegründet worden war und sich inzwischen zu einem wichtigen Zentrum entwickelt hatte, das Ordensleute aus allen fünf Königreichen von Éireann anlockte.
    »Einen Teil der Waren verkaufe ich an das Kloster«, bestätigte der Händler, »aber den größten Teil des Weines erwirbt der Prinz der Eóghanacht Glendamnach.«
    »Nun gut. Fahrt fort.«
    »Gelehrte
dálaigh
, Olcán behauptet, er hätte bei den letzten beiden Fahrten meine Ladung verloren. Er weigert sich, mir für diesen Verlust eine Entschädigung zu zahlen. Ich bin nicht so reich, dass ich auf die Einkünfte aus zwei Lieferungen verzichten kann. Die Waren sind verlorengegangen, während sie auf seinen Lastkähnen transportiert wurden. Er ist dafür verantwortlich, also muss er mich dafür entschädigen.«
    Fidelma wandte sich nun dem drahtigen Mann mit dem schmalen Gesicht zu.
    »Auf welche Weise ist die Ladung verlorengegangen?«, wollte sie wissen.
    Olcán machte eine wegwerfende Geste.
    »Zweimal sind meine Lastkähne nachts flussaufwärts nach Lios Mór aufgebrochen und spurlos verschwunden«, antwortete er. »Ich habe größere Verluste zu beklagen als Abaoth.«
    Fidelma hob überrascht den Kopf, um das Gesicht von Olcán genau zu mustern. Es war ihm offenbar ernst.
    »Verschwunden?«, wiederholte sie. »Wie sind sie verschwunden?«
    |132| »Nachdem ich Abaoths Waren auf meine Kähne geladen hatte – es sind
ethur
, flusstüchtige Lastkähne mit drei Mann Besatzung …«
    »Ich kenne solche Kähne«, wandte Fidelma mit matter Stimme ein.
    »Natürlich«, bestätigte der Mann. »Die Ladung war also auf den Lastkähnen, sie machten sich auf den Weg nach Lios Mór und kamen nie dort an. Das ist jetzt zweimal geschehen. Die Kähne sind spurlos verschwunden. Wenn jemand eine Entschädigung bekommen sollte, dann bin ich das.«
    Abaoth mischte sich mit beinahe winselnder Stimme ein.
    »Das stimmt nicht. Der Prinz von Glendamnach weigert sich, weiter bei mir zu kaufen, weil ich ihm nicht den vertraglich zugesicherten Wein geliefert habe. Ich bin kein reicher Mann, gelehrte
dálaigh
. Zwei verlorene Ladungen in zwei Monaten. Es ist klar, dass hier Diebe am Werk sind, und daher verlange ich eine Entschädigung.«
    »Was ist mit den Mannschaften dieser Kähne?

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