Todesfee
viel getrunken, noch bevor er zu dieser Versammlung kam.«
Augaire gab ein wütendes Zischen von sich, das Fidelma ignorierte.
»Ich danke dir für deine Ehrlichkeit, Berrach«, sagte sie leise. »Es ist schwer, die Fehler seiner eigenen Kinder einzugestehen.«
Augaire und zwei oder drei seiner Freunde waren aufgestanden und machten sich auf den Weg zur Tür.
»Halt!«, rief Fidelma. »Ihr habt nicht die Erlaubnis, zu gehen.«
Augaire blickte spöttisch zurück.
»Du hast hier keine Autorität, Frau aus Cashel«, sagte er höhnisch. »Du kannst den anderen weiter etwas vorschnattern, aber ich bin der Sohn eines Stammesfürsten und tue, was mir beliebt. Keine Frau, die sich hinter Nonnenkleidern versteckt, sagt mir, was ich tun soll.«
Er drehte sich um und drängte seine Kumpane, mit ihm hinauszugehen.
»Krieger! Haltet sie auf!«, ertönte Cúans scharfe Stimmed urch den Saal. Zwei seiner Krieger traten vor und versperrten den jungen Männern den Weg. Der Stammesfürst bebte vor Wut.
|228| »Dass mir mein eigener Sohn eine solche Schande bereitet!«, knurrte er. »Du und deine Speichellecker, ihr geht jetzt auf eure Plätze zurück und verlasst den Saal erst, wenn ihr die Erlaubnis dazu habt. Hättest du dich auf deine Schulbildung konzentriert, dann wüsstest du, welche Befugnisse eine
dálaigh
hat, und dass man die Befugnisse der Schwester unseres Königs, Colgú von Cashel, nicht leichtfertig in Frage stellen darf. Deine Unwissenheit ist nicht nur für mich als Stammesfürsten beschämend, sondern für unsere gesamte Familie, für den ganzen Clan. Diese Demonstration deiner Unwissenheit verdeutlicht, warum du niemals zum Stammesfürsten gewählt werden und nie ein offizielles Amt bekleiden wirst. Du bist ein Taugenichts!«
Tödliches Schweigen herrschte im Saal. Augaire und seine jungen Begleiter kehrten zu ihren Plätzen zurück und setzten sich schweigend und mit bleichen Gesichtern wieder hin.
»Fidelma von Cashel, nimm meine Entschuldigung entgegen. Ich weiß, dass für diese Beleidigung deines Amtes eine Entschuldigung nicht ausreicht. Wir sind bereit, die Strafe zu zahlen.«
Fidelma nickte ernst.
»Augaire soll aufstehen und mich ansehen.«
Der junge Mann zögerte, worauf sein Vater scharf »Augaire!« rief. Mürrisch und trotzig erhob sich Augaire.
»Nimm Folgendes zur Kenntnis, junger Mann, und erhelle das Dunkel deiner Unwissenheit. Eine Beleidigung gilt nach unserem Gesetz als äußerst schwerwiegendes Vergehen. Ich spreche jetzt von Amtsehrenbeleidigung, denn ich bin eine
dálaigh
, die einen Mordfall untersucht. Bei einem solchen Verfahren muss sogar ein König akzeptieren, dass ich über ihm stehe. Im Gesetzestext, dem Bretha Nemed Déidenach, steht deutlich geschrieben, welche Beleidigungen welche Strafen |229| nach sich ziehen. Das Delikt der Beleidigung wird mit der Bezahlung des Ehrenpreises der beleidigten Person geahndet.«
»Lady«, brach es aus Berrach hervor, »der Junge verfügt über keine so große Summe Geldes. Du bist die Schwester des Königs und noch dazu eine
dálaigh
von hohem Ansehen. Das bedeutet, dass dein Ehrenpreis mindestens sieben
cumals
beträgt, den Wert von einundzwanzig Milchkühen. Ich weiß, dass das Gesetz für den Fall, dass mein Sohn nicht zahlt oder nicht zahlen kann, vorsieht, dass er alle seine Rechte und seine Freiheit verliert, bis er durch seine Arbeit genug verdient hat, um den Ehrenpreis bezahlen zu können. Er wird ein ehrloser Dienstbote ohne Landbesitz sein. Gibt es keine andere Möglichkeit? Wirklich nicht?«
Bei dem flehentlichen Appell seiner Mutter war Augaire blass geworden; vielleicht wurde ihm jetzt zum ersten Mal das Ausmaß seines Vergehens klar.
Fidelma schwieg einen Augenblick und dachte nach.
»Das Vergehen kann nicht ignoriert werden, denn im Gesetz steht, dass der König oder Stammesfürst, der eine Beleidigung duldet, selbst seinen Ehrenpreis verliert«, sagte sie. »Der Junge mag unreif und dumm sein, aber er ist zwei Jahre über das ›Alter der Wahl‹ hinaus und sollte Recht von Unrecht unterscheiden können. Es gibt jedoch eine Möglichkeit für den Jungen, selbst die Höhe der Strafe zu vermindern. Eine ehrliche Entschuldigung in Anwesenheit aller jener, die zum Zeitpunkt der Beleidigung zugegen waren, kann die Höhe der vorgeschriebenen Strafe herabsetzen.«
»Er wird sich entschuldigen, Lady«, sagte Berrach und wollte schon nach vorn eilen, doch Fidelma hob die Hand.
»Wenn das Blut noch in Wallung ist und noch
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