Todesfee
ob du es genau geplant oder nur die Gelegenheit genutzt hast. Du hast Talamnach vorgeschlagen, den Diener zu Cúan zu schicken, und so waren die Becher unbewacht. Sobald Berrach und ihr Sohn in den Saal gegangen waren, brauchtest du nur einen Augenblick, um das Gift aus der Phiole hineinzutun und ihnen hierher in den Saal zu folgen. Ich nehme an, wenn der Vorraum nicht leer gewesen wäre, hättest du eine andere List angewandt, um den Met zu vergiften. Dann kamst du in den Saal und gabst vor, mit Selbach sprechen zu wollen.«
»Ich habe ihn gefragt, ob er weiterhin vorhabe, Talamnachs Kandidatur anzufechten. Das wird er dir bestätigen.«
»Warum konntest du ihn das nicht im Vorraum fragen? Warum musstest du in den Saal gehen und das vor allen Leuten tun? Du hast dich umgedreht, bist gestolpert und hast mit einem Taschenspielertrick die Phiole in seine Tasche gesteckt. Du hast mir sogar vor dieser Versammlung abschätzig erzählt, dass Selbach gerne die neue Mode der Britannier mit römischen Taschen in den Kleidern trägt.«
|236| »Aber was für ein Motiv sollte ich haben? Ich bin ein Brehon«, protestierte Declan.
»Kann denn ein Brehon nicht auch Stammesfürst werden?«, erwiderte Fidelma. »Du gehörst den
derbhfine
an und kannst das Amt übernehmen. Du bist sogar Vetter ersten Grades von Talamnach und Augaire. Deine größte Hoffnung war, glaube ich, dass sowohl Cúan als auch Talamnach dem Gift zum Opfer fallen würden. Du hast dich nach Kräften bemüht, Selbach anzuschwärzen. Du wusstest, wenn er unter Verdacht geriete und niemand Augaire unterstützen würde, könntest du dich selbst zum
rechtaire,
zum temporären Oberhaupt dieses Clans ernennen, bis du deine Rivalen los wärst und dich ordnungsgemäß zum Stammesfürsten wählen lassen könntest. Doch nur Talamnach starb an dem Gift. Du aber wolltest deinen Plan verwirklichen, Selbach ausschalten und dann Cúan überreden, dich zu seinem
tánaiste
wählen zu lassen.«
Fidelma schüttelte langsam den Kopf.
»Du hast mich beinahe getäuscht, Declan.«
Cúan war aufgestanden und gab seinen Kriegern ein Zeichen, den erbleichten Brehon in Gewahrsam zu nehmen.
»Wie kam es, dass du dich nicht täuschen ließest, Fidelma?«, fragte er leise.
»Die Vehemenz, mit der Declan Selbach die Schuld in die Schuhe schieben wollte, machte mich misstrauisch. Kein Brehon, der auf sich hält, würde seinem Berufsethos, das Unparteilichkeit verlangt, so sehr zuwiderhandeln und sich so benehmen wie er. Was mir aber wirklich klarmachte, was geschehen war, ist, dass Declan von einer Phiole mit Gift sprach. Woher wusste er, dass das Gift aus einer Phiole in die Becher getan wurde und nicht auf andere Art hineingelangt war? Es gibt viele Möglichkeiten, Gift in eine Flüssigkeit zu tun, nicht nur, indem man eine Phiole leert. Nur der Mörder konnte das so genau wissen, |237| und da begriff ich, was sein gespieltes Stolpern, bei dem er Selbach anstieß, zu bedeuten hatte.«
Mit traurigen Augen sah Fidelma zu, wie die Krieger Declan aus dem Saal führten.
»Niemand hat mehr Verpflichtung, das Gesetz zu befolgen, als jene, die das Gewand eines Brehon tragen und über andere Recht sprechen.«
|238| WER HAT DEN FISCH GESTOHLEN?
Schwester Fidelma blickte etwas überrascht auf, als ein Mönch mit gerötetem Gesicht ins Refektorium stürzte, wo sie sich gerade mit den anderen Nonnen zur Abendmahlzeit an die langen Holztische setzen wollte. Abt Laisran hatte bereits um Ruhe gebeten, um das
gratias
anstimmen zu können.
Als der Mönch merkte, dass sich bei seinem plötzlichen Eintreten etliche Augenpaare fragend auf ihn richteten, hielt er verwirrt inne. Seine roten Wangen wurden womöglich noch roter, und einen Augenblick lang schien er unentschlossen die Hände zu ringen. Erwusstegenau, dass dies kein gewöhnliches Abendessen war, sondern ein Festmahl zu Ehren von Hochwürden Salvianus, einem Gesandten aus Rom, der die Abtei von Durrow besuchte. Der vornehme Römer saß bereits an der Seite des Abts und betrachtete den Neuankömmling mit einiger Verwunderung.
Der Mönch mit dem roten Gesicht nahm offenbar seinen ganzen Mut zusammen und ging eilig zum Haupttisch, wo Abt Laisran stand, auf dessen rundlichem Gesicht Verärgerung zu lesen war. Er beugte sich vor und flüsterte ihm ins Ohr. Irgendetwas stimmte nicht, das merkte Fidelma an der erschreckten Miene, die sich kurz auf dem Antlitz des Abts zeigte. Er neigte sich zum Verwalter an seiner Linken und murmelte etwas. Jetzt
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