Todesfee
wirkte der Verwalter überrascht. Dann wandte sich der Abt an |239| seinen Gast, Hochwürden Salvianus. Bevor er sprach, schien er sich zu einem Lächeln zu zwingen und verlieh seinen Worten mit Gesten Nachdruck. Der Gesichtsausdruck des vornehmen Römers war höflich, aber verwirrt.
Der Abt erhob sich und durchquerte hinter dem Mönch, der den Ablauf des Abends unterbrochen hatte, eilig das Refektorium. Fidelma stellte zu ihrer Verblüffung fest, dass der Abt direkt auf sie zusteuerte.
Mit äußerst unglücklicher Miene beugte sich Abt Laisran zu ihr hinunter und sagte mit gesenkter Stimme nur: »Ich benötige deine Dienste, Fidelma. Würdest du mir in die Küche folgen?«
Fidelma wusste, dass Laisran nicht zu dramatischen Gesten neigte. Also verschwendete sie keine Zeit mit Fragen, sondern stand auf und kam seiner Bitte nach. Der Mönch mit dem roten Gesicht lief ihnen voran.
In der Küche schloss Abt Laisran die Tür, blieb stehen und blickte um sich. In dem langgestreckten Raum, in dem alle Mahlzeiten der Abtei zubereitet wurden, befanden sich etliche Mönche. Merkwürdigerweise schienen alle in Untätigkeit erstarrt zu sein. An ihren Schürzen und aufgerollten Ärmeln als Küchenmitarbeiter zu erkennen, standen sie schweigend und betreten herum.
Laisran wandte sich an den Mönch mit dem roten Gesicht, der sie hierhergeführt hatte.
»Also, Bruder Dian, sag Schwester Fidelma, was du mir gerade mitgeteilt hast. Bruder Dian ist unser zweiter Koch«, fügte er rasch als Erklärung hinzu.
Bruder Dian wirkte sehr verängstigt und sichtlich verzweifelt.
Hastig stieß er hervor: »Heute Nachmittag ist unser Koch, Bruder Roilt, mit seinem Angelzeug zum Fluss hinuntergegangen. |240| Er wusste, dass es zu Ehren von Hochwürden Salvianus ein Festmahl geben sollte und wollte speziell dafür einen Lachs angeln.«
Laisran hörte dieser Vorgeschichte mit leiser Ungeduld zu und unterbrach ihn dann: »Bruder Roilt hat einen großen Lachs gefangen. Er hat ihn mir gezeigt. Das perfekte Gericht für Salvianus. Da hätte er gesehen, wie gut wir in diesem Teil der Welt leben …«
Jetzt schaltete sich Bruder Dian wieder ein: »Der Fisch war vorbereitet, und Bruder Roilt hatte etwa eine halbe Stunde, bevor es Zeit war für das
gratias,
begonnen, ihn zu braten. Meine Aufgabe war die Zubereitung des Gemüses, deshalb habe ich am unteren Ende der Küche gearbeitet. Bruder Roilt hat den Fisch da drüben gebraten …« Er zeigte mit einer Handbewegung auf die jeweiligen Plätze. »Dann kam der Mönch, der das Servieren beaufsichtigt, und hat mir mitgeteilt, dass bereits alle an den Tischen säßen. Ich blickte auf, um zu sehen, ob Bruder Roilt mit dem Fisch so weit war, dass man ihn auftragen konnte. Ich vermochte Bruder Roilt nicht zu entdecken, daher ging ich zu dem Herd, wo er den Fisch briet …, und der Fisch war verschwunden.«
Abt Laisran stöhnte auf. »Der Fisch ist gestohlen worden! Die Delikatesse, die wir Hochwürden Salvianus anbieten wollten! Was soll ich bloß tun?«
Seit Fidelma aus dem Refektorium geholt worden war, hatte sie kein Wort gesprochen. Nun sagte sie: »Der Fisch ist weg. Was glaubt ihr, wie er gestohlen wurde?«
Bruder Dian antwortete: »Ich habe die Küche gründlich durchsucht und die Mönche befragt.« Er deutete auf die sechs Brüder, die schweigend herumstanden. »Alle sagen, sie hätten nichts bemerkt. Der Fisch ist einfach verschwunden.«
»Aber was ist mit dem Koch, Bruder Roilt?«, wollte Fidelma |241| wissen. Es ärgerte sie, dass es für etwas so Offensichtliches keine Erklärung gab. »Was sagt er zu der Geschichte?«
Schweigen.
»Leider«, jammerte Bruder Dian schließlich, »ist auch er verschwunden.«
Fidelma zog eine Augenbraue hoch. »Willst du damit sagen, dass er in einem Augenblick in dieser Küche auf einem Feuer den Lachs zubereitete, wobei ein halbes Dutzend Leute um ihn herumstanden, und im nächsten Augenblick verschwunden war?«
»Ja, Schwester«, klagte der Mönch. »Vielleicht ist es Zauberei.
Deus avertat
!«
Fidelma schniefte abschätzig. »Unsinn! Es gibt Hunderte Gründe, weshalb der Koch mit seinem Fisch verschwunden sein kann.«
Bruder Dian war nicht überzeugt. »Er hat sich damit solche Mühe gegeben, weil er wusste, dass der Fisch dem Gesandten aus Rom serviert werden würde. Er hat den Fisch im Fluss Feoir gefangen, einen großen, schönen Lachs.«
»Zeig mir genau, wo er zuletzt mit dem Fisch gesehen wurde«, wies ihn Fidelma an.
Bruder Dian ging mit
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