Todesfee
ihnen ist.«
Alle drehten sich zu ihr um.
»Abt Laisran, du musst zu deinem vornehmen Gast zurückkehren. Gibt es etwas, das ihr ihm anstelle des Fisches servieren könnt?«
Der Abt blickte Bruder Dian fragend an.
»Wir haben noch Wild von gestern, Vater Abt«, bot der zweite Koch an.
»Gut«, antwortete Fidelma für Laisran. »Dann fahrt mit dem Kochen fort, und während ihr damit beschäftigt seid, werde ich hier herauszufinden versuchen, wie Bruder Roilt gestorben ist und wer den Fisch gestohlen hat.«
Der Abt zögerte, doch Fidelmas Miene war entschlossen und zuversichtlich. Er nickte Fidelma also kurz zu und gab Bruder Dian noch den Auftrag, alle ihre Anweisungen zu befolgen.
Fidelma ging zum Tisch unter dem Fenster und starrte auf den leeren Holzteller mit den Fettflecken. Dann blickte sie hinaus in den kleinen, ummauerten Kräutergarten.
Aus den Blutflecken auf dem Fußboden ließ sich schließen, dass Bruder Roilt hier am Tisch gestanden hatte, als er erstochen wurde. Er konnte nicht allein zum Schrank im Lagerraum gegangen sein. Der Mörder musste ihn dorthingeschleppt haben, wahrscheinlich hatte er die auf dem Rücken liegende Leiche an den Armenüber den Boden gezogen. Hätte er den Koch bäuchlings geschleift, wäre die Blutspur auffälliger gewesen. Das war |245| sicher nicht schwer gewesen, denn Bruder Roilt war klein und schmächtig. Er sah nicht im Entferntesten aus wie der typische Koch. Aber warum hatte niemand in der Küche etwas bemerkt?
Sie fuhr herum.
Das Küchenpersonal war mit dem Aushändigen der Teller an die servierenden Mönche beschäftigt, die darauf warteten, sie zu den Tischen im Refektorium zu bringen.
Die Küche war lang und groß, aber eigentlich L-förmig, wie Fidelma feststellte. Ein Teil des Raumes war vor dem anderen Teil verborgen. Wer sich hinter der Ecke befand, hätte Bruder Roilt nicht sehen können. Entlang der Wände der Küche standen Arbeitstische und im Zentrum ein Backofen und ein Herd. Der Raum war ziemlich breit und wurde in der Mitte von einer Reihe von hölzernen Säulen gestützt, sodass die Sicht aus bestimmten Blickwinkeln versperrt war. Aber es war doch gewiss unmöglich, dass sich niemand von den sechs in der Küche arbeitenden Mönchen an einer Stelle befunden hatte, von der aus zu sehen gewesen war, wie der Mörder den Koch erstach und ihn dann in den Lagerraum schleifte, selbst wenn der Mord beinahe lautlos geschehen war.
Ein Mord vor aller Augen, den niemand bemerkt hatte, war ebenfalls unmöglich.
Sie blickte wieder auf den Teller. Wer hatte den Fisch gestohlen? Warum sollte man jemanden umbringen, um einen Lachs zu stehlen? Das war nicht logisch. Nicht einmal ein Wanderarbeiter würde so etwas tun.
Sie ging zur Gartentür und schaute hinaus in den Kräutergarten. Er war etwa dreißig Fuß lang und ebenso breit, von einer hohen Mauer umgeben und hatte am anderen Ende eine Holzpforte. Zu dieser lief sie über den gepflasterten Weg und sah, dass sie mit einem Riegel fest verschlossen war, sodass niemand von draußen in den Garten gelangen konnte. Wenn |246| jemand durch diese Pforte weggelaufen wäre, hätte er den Riegel nicht hinter sich zumachen können.
Sie drehte sich um und kehrte zurück zur Tür, die aus der Küche in den Garten führte. Nichts war ungewöhnlich, alles war an seinem Platz. Draußen lehnten neben der Tür ein Spaten und ein paar andere Gartengeräte. Ein leerer Zinnteller stand auf dem Boden. Fidelma kam zu dem Schluss, dass es nur eine logische Erklärung gab. Bruder Roilt musste von jemandem getötet worden sein, der sich in der Küche befunden hatte.
Sie begab sich wieder in die Küche und blieb neben dem leeren Holzteller stehen, auf dem der Lachs gelegen hatte. Sie war so versunken in ihre Überlegung, dass sie gar nicht merkte, dass Bruder Dian an ihre Seite getreten war, bis er sich räusperte, um sie auf sich aufmerksam zu machen.
»Die Speisen sind ins Refektorium gebracht worden, Schwester. Was sollen wir jetzt tun?«, fragte Bruder Dian.
Fidelma traf rasch eine Entscheidung. »Ich möchte, dass alle, die in der Küche beschäftigt gewesen waren, vortreten«, sagte sie.
Bruder Dian winkte die Männer vor. »Ich war da, und außerdem Bruder Gebhus, Bruder Manchán, Bruder Torolb, Bruder Enda und Bruder Cett.«
Er zeigte auf einen nach dem anderen. Wie sie da vor ihr standen, wirkten sie betreten wie kleine Jungen, die bei einem bösen Streich ertappt worden waren und auf ihre Strafe warteten. Bruder
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