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Todesfessel - Franken-Krimi

Todesfessel - Franken-Krimi

Titel: Todesfessel - Franken-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Backert
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verkniffen, dachte Charly. Victors tiefschwarz gefärbtes Haar stand punkig nach allen Seiten ab, das obligatorische weiße Hemd war heute, genau wie seine spitzen roten Schnürschuhe, aus feinem Veloursleder. Es roch, nein, es stank, entschied Charly insgeheim, es stank wie ein junger Ziegenbock.
    »Natürlich, das hätte ich Ihnen doch gleich sagen können, lieber Herr Kommissar. Kim und Tanja sind schließlich beide vorgesehen für den ›Süddeutschen Ballettkalender‹; das waren zwei aufwendige, zwei großartige Fotosessions!«
    »Und zwei brutale, mörderische Überfälle – elf Tage später bei Kim, zehn Tage später bei Tanja!« Charly zog seinen Stuhl um die Ecke des Schreibtisches und setzte sich vis-à-vis Victor. »Wo waren Sie Montagnacht zwischen dreiundzwanzig Uhr dreißig und zwei Uhr dreißig, Victor?«
    Gekränkt schob Victor beide Hände in die ausgeleierten Hosentaschen seiner schmuddlig-weißen Jeans. »Also mit Verlaub, Herr Kommissar: Mich beschleichen doch langsam ganz unerfreuliche Zweifel an der Qualität Ihrer Arbeit! Jeder Profiler – haben Sie so was überhaupt in Coburg? –, ach, was sage ich, jeder Menschenkenner wird Ihnen auf Anhieb sagen, dass ein feinfühliger, sensibler Künstler niemals ein … ein blutrünstiger Psychopath sein kann. Nonsense! « Er wischte sich einen Speicheltropfen aus dem Mundwinkel.
    »Das ist leider kein Alibi, Victor.« Charly zwinkerte ihm süffisant zu. » By the way , war nicht sogar Jack the Ripper ein Künstlerkollege, ein gewisser Walter Sickert, seines Zeichens Kunstmaler?«
    »Jede kleinbürgerliche Gesellschaft sucht sich ihren Sündenbock«, erregte sich Victor, »und immer unter tatkräftiger Mithilfe ihrer Polizeibüttel …«
    »Vorsicht! Keine Beleidigungen! Ich will Ihr Alibi: Sie hatten jeweils kurz vor der Tat mit beiden Opfern Kontakt, Sie sind gut eins neunzig, Sie legen Make-up auf, und Sie sind Crossdresser!«
    Victor lächelte ironisch. »Das scheint Sie ja richtig zu erregen … Kommissar …« Erstmals unterließ er das ›Herr‹, sein Tonfall wurde anzüglich: »Kein Wunder, wir wissen doch beide … gerade in den hohen Polizeirängen gibt es doch begeisterte Damenwäscheträger …«
    »Jetzt reicht’s aber!« Löhlein, bisher nur stiller Zuhörer, hieb mit hochrotem Gesicht auf den Tisch. »Schluss mit diesen lauwarmen Provokationen, mit diesen feigen Unterstellungen!«
    »Aber ich bitte Sie! Wollen Sie im Ernst behaupten, noch nie etwas von J. Edgar Hoover gehört zu haben?«
    Löhlein sank auf seinen Stuhl zurück. » FBI -Hoover?«
    »Hundert Punkte!« Victor applaudierte ironisch. »Der legendäre FBI -Chef, der knallharte Kämpfer für Recht und Ordnung. Teilte mit seinem Stellvertreter Tisch und Bett und schlüpfte heimlich gern ins rosarote Tutu!«
    »Was hat Hoovers Schlafröckchen mit Ihrem Alibi zu tun? Wo waren Sie Montagnacht zwischen zehn und vier? Wo waren Sie Freitag nach sechzehn Uhr?«
    Victor rümpfte die Nase und dachte nach. »Darf ich rauchen?«, fragte er schließlich.
    »Erst, wenn Sie ein wasserdichtes Alibi haben!«
    Verärgert runzelte Victor die Stirn und bequemte sich dann doch zu einer Antwort. »Freitagnachmittag war ich ganz normal im Atelier. Allein. Und Montagnacht? Nachts habe ich grundsätzlich kein Alibi. Nachts bin ich immer inkognito.«
    »Soll heißen?«
    Victor biss sich auf die Lippen. Hinter seinen bartlos-blassen Wangen mahlte er mit den Backenzähnen. »Kunst muss schließlich etwas transportieren …«, begann er umständlich. »Kunst muss transformieren … und als Künstler lebe ich das natürlich ganz persönlich aus …«
    »Victor war in der Crossdresser-Szene unterwegs, Herr Dr. Stein.« Charly schob dem Oberstaatsanwalt ein Blatt über den Tisch. »Behauptet er zumindest. Allerdings wollte er nicht darüber reden, er bekam da eine ganz merkwürdige Anwandlung. Wir haben ihn dann dazu gebracht, uns aufzuschreiben, wo er Montagnacht überall war. Für Freitag hat er ohnehin kein Alibi.«
    Stein runzelte die Stirn und rückte seine Brille zurecht. »Sehr eigenwillige Handschrift. Diese breiten, verschnörkelten g-Schleifen sprechen meist für eine überbetonte Sexualität.«
    »Fragt sich nur, ob er das selbst auch weiß«, sagte Charly trocken. Vielleicht will er nur Hobby-Grafologen wie dich beeindrucken …
    Stein nuschelte leise Victors Aufstellung herunter:
    »Bis 21 Uhr im Atelier
    22:45–1:15 Erfurt, TLC (Thüringer Lederclub), Zeugen: evtl. die rothaarige Bedienung

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