Todesfeuer
schillerten. Graublaue Augen, vom Ton her ganz ähnlich wie meine, musterten uns belustigt. Eine Schachtel Tam-Tam-Kräcker, ein Glas mit gerösteten Erdnüssen und das nötige Zubehör zum Aufbrühen von Pulverkaffee standen auf dem Nachttisch. An der Wand über dem Kopfteil des Bettes hingen Porträts von Martin Luther King und Lyndon Johnson, letzteres signiert.
Zwei Sessel standen gegenüber vom Bett. »Setzen Sie sich«, sagte George Kaplan. »Gemma hat von unten angerufen, meine Herrn. Ich bin bereit für Sie.«
Melodischer Singsang, samtige Intonation - möglicherweise einer der vielen Dialekte von New Orleans. Seine Augen waren ruhig, aber die Hände zitterten, und sein Kopf wackelte in unregelmäßigen Abständen. Wahrscheinlich Parkinson.
»Danke, dass Sie uns empfangen, Mr. Kaplan.«
»Hab doch sonst nichts zu tun.« Kaplan öffnete den Mund.
Zwei weiße Prothesen klackten. »Was hat denn die Polizei in Bezug auf George S. Kaplan im Sinn?«
Milo musterte die Fotos, bevor er sich setzte. »LBJ? Für gewöhnlich ist es JFK.«
»George S. Kaplan ist nicht gewöhnlich. Diese Kennedys warn prima, wenn man hübsche Gesichter mag. Präsident Johnsohn hat nicht wie ein Filmstar ausgesehen - Herrgott, diese Ohren, vor dem hatte keiner Respekt. Aber er hat die Versöhnung der Rassen im Parlament durchgedrückt.«
»Das große Reformprogramm.«
»Er war ein Träumer, genau wie Dr. King. Ich habe dem Mann die Schuhe geputzt, im Ambassador Hotel. Dem Präsidenten, nicht Dr. King, leider. Hatte dort achtundvierzigeinhalb Jahre lang einen Stand. War an dem Abend da, als RFK erschossen wurde. Ich hab noch versucht, den Cops zu erklären, dass ich gesehen habe, wie dieser jordanische Irre seit Tagen im Hotel rumlungert und vor sich hinmurmelt. Keiner hat sich drum gekümmert, was ich zu sagen habe.«
»Wir schon.«
Kaplan knetete einen Perlmuttknopf seines Hemdes, bemühte sich darum, die Hände ruhig zu halten. »Wissen Sie, wie alt ich bin?«
»Sie sehen gut aus, Sir.«
»Schätzen Sie mal, Officer - ‘tschuldigung, Detective. Sie sind doch Detective, richtig?«
»Ja, Sir.«
»Was schätzen Sie? Keine Sorge, ich bin nicht eingeschnappt.«
»Normalerweise würde ich sagen, in den Siebzigern, Mr. Kaplan, aber wenn Sie achtundvierzig Jahre im Ambassador gearbeitet haben und das geschlossen wurde, als -«
»Es wurde 1989 geschlossen. Das Haus hat achtundsechzig Jahre lang seine Dienste angeboten, und dann lassen die’s eiskalt eingehn. Ein architektonisches Meisterwerk, entworfen von Mr. Myron Hunt. Wissen Sie, wer das war?«
»Nein, Sir.«
»Ein berühmter Architekt. Hat die Rose Bowl entworfen. Das Ambassador war ein Palast, hat die feinsten Leute angezogen. Sie hätten die Hochzeiten sehn sollen, die Galaabende mit Smokingzwang. Ich habe wahrlich genug Lackleder im letzten Moment auf Vordermann gebracht, und das ist eine in Vergessenheit geratene Kunst. Die Stadt hat das Grundstück gekauft, sagt, es wird ‘ne Schule. Hat uns grade noch gefehlt, Teenager, die eine Sauerei anrichten. Wie alt bin ich also?«
»Achtzig…«
»Dreiundneunzig.«
»Sie sehen großartig aus, Mr. Kaplan.«
»Das Äußere täuscht. Mir fehlen allerhand innere Organe, die Ärzte nehmen mir ständig welche raus. Anscheinend gibt uns Gott zusätzliche Organe, die man ohne ernste Folgen entfernen kann. Warum das so ist, müssen Sie ihn fragen. Wozu ich, glaube ich, bald die Gelegenheit bekomme. Möchten Sie Kräcker?«
»Nein danke, Sir.«
»Erdnüsse?«
»Ist schon gut, Sir.«
»Und weshalb interessiert sich die Polizei von Los Angeles für George S. Kaplan?«
»Monte.«
Kaplan schaute auf seine Knie. »Ich habe einen jüdischen Namen, falls es Ihnen nicht aufgefallen ist. Kaplan kommt aus dem Hebräischen. Heißt Vorbeter. Ich bin immer noch nicht dahintergekommen, warum. Jemand hat gesagt, meine Familie könnte für jüdische Sklavenbesitzer gearbeitet haben, aber das stimmt nicht, wir waren von Anfang an Freie. Sind erst nach der Abschaffung der Sklaverei rübergekommen, von Curacao, das ist eine Insel in der Karibik. Dort haben viele Juden gelebt, also wer weiß? Was meinen Sie, Detective? Lässt sich das Rätsel lösen?«
»Im Internet gibt es jede Menge genealogischer Websites -«
»Hab ich alle probiert. Mein Urenkel Michael, der ist ein Computerfreak - so bezeichnet er sich selber. Dadurch habe ich vom hebräischen Ursprung meines Namens erfahren. Aber die Spur hat nirgendwo hingeführt. Ich nehme an, manche
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