Todesfinal
ich ihn anerkenne. Weil er groß ist. Er ist wirklich groß.«
Vor Skamper saß auf einmal ein völlig anderer Mensch. Die Figur des alten Mannes war straff, sein Blick klar und fest. Und seine Stimme war nicht mehr die eines alten, verwirrten Mannes. Es war die Stimme eines Rächers, der getrieben war von dem Wunsch, Unrecht wiedergutzumachen.
»Ich hab mich immer gefragt, wie dieser Barewski lebt. Was für eine Tarnung er hat. Anfangs hab ich mir gedacht, dass er vielleicht eine Familie hat, völlig normal lebt, irgendwo in einem Reihenhaus. Aber ich glaube, dass ich ihm auf die Spur gekommen bin. Er lebt allein. Ein einsamer Wolf, irgendwo in einem kleinen Dorf. Und ich glaube, dass dieses kleine Dorf hier ganz in der Nähe ist.«
»Und wie sind Sie an diese Information gekommen?«, fragte Skamper.
Wieder lächelte der alte Mann. »Ich habe gewisse Quellen. Informanten, denen ich verpflichtet bin. Ich würde sie in Gefahr bringen, würde ich ihre Namen nennen. Es ist auch völlig unwichtig, wie ich zu dieser Information gekommen bin.« Der alte Mann verstummte. Draußen vor den Fenstern standen grauschwarze Wolken am Himmel. Es war dunkel geworden im Zimmer. Skamper stand auf und schaltete das Licht ein. Das schwache Leuchten aus der Lampe an der Decke gab ein unruhiges, diffuses Licht. Der alte Mann sah auf einmal sehr müde aus.
»Aber was haben jetzt wir mit diesem Barewski zu tun?«, fragte Skamper.
»Sie sind doch ein Geocacher«, sagte Markoven.
»Kann man so nicht sagen, ich habe ein wenig in der Szene recherchiert, für einen Freund.«
»Für Viktor Boritsch.«
»Genau, woher wissen Sie das?«
»Sie hatten einen Unfall, ich habe in der Zeitung davon gelesen.«
»Und Sie glauben, dass dieser Barewski damit zu tun hat?«, fragte Arabella.
»Ich vermute es. Ich habe natürlich auch in der Geocaching-Szene recherchiert. Deswegen war ich auf dieser Messe. Und diesen Cache, den Sie gesucht haben, am Glatzenstein, ich war auf derselben Spur. Aber ich bin nicht weitergekommen. Mir fehlte das Passwort.«
»Das Passwort war ›Jona‹«, sagte Arabella.
»Jona«, wiederholte Markoven.
»Über das Passwort sind wir an ein Rätsel für den Cache gekommen«, erklärte Skamper. »Es war schnell klar, dass sich das Rätsel auf ein historisches Ereignis bezog. Mit etwas Glück haben wir herausgefunden, dass es sich um das Datum handelte, an dem die Operation ›Frequent Storm‹ begann, am 29. April 1975. Nachdem wir das Datum hatten, konnten wir die GPS-Daten berechnen. Die Koordinaten führten uns zum Teufelstisch, einer Steinformation im Fichtelgebirge. Und von dort ging es dann wieder nach Nürnberg, mitten in die Fußgängerzone. Wir sollten einem Mann, der die Demut kennt, verschiedene Fragen stellen. Unter anderem nach dem Weg zum sechsten Planeten.«
»Der sechste Planet ist der Saturn«, sagte Markoven.
»Genau. Die Informationen, die wir in Nürnberg bekommen haben, führten uns zum Glatzenstein. Und was da passiert ist, kennen Sie ja aus der Zeitung.«
Der Alte blickte Skamper an. Dann stand er auf. Er ging ein paar Schritte bis zur Tür, dann wieder zurück. Er setzte sich. »Entschuldigen Sie mein Verhalten«, sagte er. »Aber Sie ahnen nicht, was Sie mir gerade gesagt haben. Das, was Sie erzählt haben, passt genau auf den Mordfall Brian Walsh. Er wurde im Oktober 1987 getötet. Das ist einer der ungelösten Fälle, die ich Barewski zuschreibe. Walsh war Historiker. Seine Doktorarbeit handelte von der Operation ›Frequent Storm‹.«
Skamper war nicht überzeugt. »Das kann ein Zufall sein.«
»Walsh lebte damals in einem kleinen Städtchen in der Nähe des damaligen Ostberlin. Er wohnte im Saturnweg 5.« Markoven ließ die Worte wirken. »Wissen Sie, ich habe so lange über diese Fälle gegrübelt, dass ich jedes Detail auswendig weiß.«
Markoven rieb sich die Hände. Wie euphorisiert von den neuen Informationen. Skamper dachte nach. Die Zusammenhänge waren tatsächlich sehr auffällig.
»Ist denn Barewski ein richtiger Serienkiller?«, fragte Arabella.
»Ein Serienkiller ist jemand, der aus Lust tötet«, antwortete Markoven. »Er tötet, weil er einen krankhaften Trieb hat, weil er eine seltsame Befriedigung beim Akt des Tötens erlebt, aber das ist bei Barewski ganz sicher nicht der Fall. Er ist ein Berufskiller. Er tötet für Geld.«
Arabella schien enttäuscht zu sein. »Und wie kommt so ein Profikiller zum Geocaching?«, fragte sie.
»So ein Profikiller ist auch
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