Todesflirt
Ecke.
»Ach, hier seid ihr«, stöhnte sie. »Ihr werdet schon händeringend gesucht. Die Kinder machen mit dem Wasserschlauch totalen Unsinn. Passt da mal auf! Eure privaten Schwätzchen könnt ihr bitte auf nach der Arbeit vertagen, alles klar?« Warum musste sich Jessica immer als Cochefin aufspielen? Furchtbar war das. Aber ich wusste, dass eine Diskussion mit ihr nichts brachte, und so gingen wir wortlos in den Garten zurück, wo eine regelrechte Wasserschlacht tobte.
Sie hat er erschreckt. Es war gar nicht so schwierig. Er ist einfach dagestanden, sodass sie nicht an ihm vorbeikam. Sie hat ihn gleich erkannt. Und den Ernst der Situation ebenfalls. Na ja, wer würde das nicht mit einem Messer am Hals. Sie hat ihn angeschaut, als sei er ein Abgesandter der Hölle. Dabei ist er ein Abgesandter des Paradieses. Wieso versteht sie das nicht? Egal, mit einer wie ihr hält er sich sowieso nicht auf. Jetzt zählt nur er, der Verräter. Er ist sich sicher, über sie bekommt er ihn, dieses miese Bürschchen. Immer wenn er an ihn denkt, könnte er durchdrehen. Dieses kleine Würstchen kann über ihn bestimmen – das darf einfach nicht sein. Je mehr Zeit vergeht, umso sicherer ist er sich. Er muss ihn ausschalten, er, der Herr über Leben und Tod. Und es wird ihm gelingen. Wie kann einer glauben, er könnte sich vor ihm verstecken, untertauchen gar? Er hat überall seine Leute, die ihm weiterhelfen, mit Informationen, mit Recherche, auch mit schlagkräftigen Argumenten, wenn es sein muss. Schließlich geht es nicht nur um ihn persönlich. Es geht um eine viel größere Sache.
Er grübelt noch immer, wie es dem Verräter überhaupt gelingen konnte, so weit zu kommen. Ihm zu entgehen, aus dem Netz zu schwimmen ohne großes Aufsehen. Noch dazu über einen so langen Zeitraum. Über ein Jahr hat er gebraucht, um seine Spur wieder aufzunehmen. Gut, dass er den alten Plunder von diesem Schaf nicht weggeworfen hatte. Denn ganz unerwartet hat er dort die Spur zu ihr gefunden, die ihn wiederum zu dem Verräter geführt hat. Dieser Mistkerl, der eigentlich immer ein kleiner Fisch war, der nicht weiter auffiel. Der mitschwamm. Und der gut einzusetzen war für die Drecksarbeit. Während er selbst das Lob eingeheimst hat. Na ja, bis dahin muss man erst mal kommen und die Jungs so gut im Griff haben, wie er das hat.
Jetzt kann er dasitzen wie die Spinne im Netz und warten, dass diese kleine Drecksfliege vorbeikommt. Und dann wird er ihn umgarnen, ihn nicht mehr aus den Augen lassen. Er hat schon Vorkehrungen getroffen. Alles liegt bereit. Er hat sogar eine Tasche gepackt, falls es ganz schnell gehen muss. Und sein Plan ist großartig. So wie er, der Herr über Leben und Tod.
4. Kapitel
Für den Abend war ich seit Langem mal wieder mit Toni verabredet und trotz David sagte ich unser Frauen-Date auch nicht ab. Wir hatten zusammen Abitur gemacht, doch im Gegensatz zu mir hatte Toni gleich mit dem Studium angefangen, Kommunikationswissenschaften. Wir hatten gemeinsam viel fürs Abi gebüffelt und waren dabei richtig gute Freundinnen geworden. Doch jetzt sahen wir uns deutlich seltener, zumal Toni noch hinter Feldkirchen wohnte.
Während ich im idyllischen Hinterhofgarten von Mammas Pizzeria an der Wasserburger Landstraße saß und auf sie wartete, hörte ich meine Mailbox ab. Am Sonntagabend waren sieben Anrufe eingegangen – hatte vielleicht doch David angerufen und es war ihm heute peinlich gewesen, das zuzugeben? Anruf Nummer eins kam von Max. Er beschimpfte mich aufs Übelste als »Schlampe« und »Dreckstück« und ich löschte die Meldung, bevor ich sie zu Ende angehört hatte. Auch Nachricht Nummer zwei war von ihm. Diesmal schrie er eine weitere Folge unflätiger Ausdrücke. Delete! Nachricht Nummer drei bis sieben kamen ebenfalls von ihm. Waren zwischen den ersten beiden Nachrichten noch etwa eine Stunde Zeit vergangen, kamen die letzten im Zehn-Minuten-Takt. Seine Aussprache wurde von Mal zu Mal undeutlicher und teilweise konnte ich nur anhand der Sprachmelodie erkennen, ob es sich um eine weitere Beschimpfung handelte oder ob er sich langsam beruhigte. Beim letzten Anruf weinte er fast. Er vermisse mich, schluchzte er, er verzeihe mir. Ich solle zurückkommen, wir gehörten doch zusammen, er liebe mich! Ich war fassungslos!
»Du siehst aus wie der Assi von unserem Prof, wenn er mal wieder die falsche Powerpoint-Präsentation gestartet hat«, begrüßte mich Toni grinsend und fiel mir um den Hals. »Schön, dich zu sehen,
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