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Todesflirt

Todesflirt

Titel: Todesflirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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Vaters standen vor dem Bett. Und auf meinem Kopfkissen lag ein Zettel. Hab was vergessen. Musste weg. Sei nicht bös. Sehen uns am Montag. Hab dich lieb., stand darauf. Ich sank auf das Bett hinunter. Wie – wir sehen uns am Montag? Hallo? Was war das denn? Mein Herz schlug bis zum Hals. Hab dich lieb. Na danke, du mich auch! Er war einfach weggelaufen – ohne mir die Chance zu geben nachzufragen, ob irgendetwas nicht stimmte. Wenn er meine Familie nicht so schnell hätte kennenlernen wollen – hätte er doch einfach sagen können. Ich wäre auch mit zu ihm gegangen. Ich war 18 – hier regte sich keiner auf, wenn ich über Nacht nicht da war.
    »Komm, Tabi«, krähte es vom Flur und ich hatte ausnahmsweise keine Lust auf Julis Gegenwart. »Wir sollen Mittagessen kochen. ’s gibt Wienerle!«
    Das restliche Wochenende war grausam. Ich fuhr mit dem Rad bis nach Daglfing und dort ziellos durch die Straßen. Es war heiß, der Asphalt unangenehm aufgeheizt. Meine Gedanken drehten sich schneller als die Speichen meiner Räder. Was war los? Mit ihm? Mit mir? Hatte ich etwas gesagt oder getan, das ihn verletzt hatte? Wie könnte ich ihn nur finden? Er hatte doch von Daglfing gesprochen. Oder war es Berg am Laim gewesen, wo er wohnte? Nein, Daglfing, ganz sicher. War ihm etwas geschehen? Aber dann wäre der Zettel auf dem Bett nicht gewesen. Hab dich lieb. Konnte ich das glauben? Behandelte man Menschen, die man liebte, so? Somebody I used to know, sang mir Walk off the Earthdurch meine Smartphone-Kopfhörer ins Ohr und ich fragte mich, ob die Zeile »You can get addicted to a certain kind of sadness« die Gefahr benannte, der ich mich langsam auslieferte. Wurde ich süchtig nach seiner speziellen Art von Traurigkeit, dieser Melancholie, die seinen Kopf umschwirrte wie eine blasse Wolke Schmetterlinge? Und merkte gar nicht, dass ich mich in irgendwas Unschönes verrannte?
    Als ich schließlich erschöpft und frustriert vor der Gärtnerei ankam, sah ich genau ein Auto auf dem Kundenparkplatz stehen. Ein silbergrauer, alter Jeep. Und daran lehnte Max, mit verschränkten Armen und schweißbedecktem Gesicht. Er stand in der prallen Sonne und es sah nicht aus, als störe ihn das. Er sah mir entgegen, seine Augen hinter der dunklen Sonnenbrille verborgen, bewegte sich aber nicht. Ich konnte schlecht tun, als sähe ich ihn nicht, ich musste direkt an ihm vorbei.
    »Hi«, sagte ich möglichst unbefangen. Er reagierte gar nicht. Dann griff er durchs geöffnete Fenster ins Innere seines Wagens und holte eine große Tüte heraus.
    »Ich will nichts mehr haben, was an dich erinnert«, sagte er theatralisch und fast hätte ich gegrinst. Er griff in die Tüte und holte einen BH heraus, den ich irgendwann mal bei ihm vergessen hatte. Er warf ihn mir vor die Füße. Es folgten einige T-Shirts, ein Paar Laufschuhe, diverse Kosmetikartikel, CDs, DVDs, ein paar Greenpeace-Hefte, die uralt waren, und dann kamen die Geschenke, die ich ihm gemacht hatte. Ein FC-Bayern-Trikot von der vorletzten Saison, selbst gebrannte CDs mit Kompilationen meiner Lieblings-Liebeslieder, die er vermutlich maximum ein einziges Mal angehört hatte. Ein weinroter Strickpullover für den Winter, ein paar selbst gestrickte Socken mit passendem Schal, eine Basecap von unserem einzigen gemeinsamen Urlaubstrip nach Ibiza (das war der Anfang vom Ende gewesen, wurde mir in diesem Moment klar: Er war die ganze Zeit betrunken gewesen und ich völlig genervt von dieser langweiligen Partyinsel voller bescheuerter Touris!) und schließlich die feine Kette mit der goldenen Nachbildung eines Gingko-Blattes, das für Kraft steht, für Freundschaft, Yin und Yang. Ich weiß nicht, ob er es auch nur einmal getragen hatte. Dies alles lag jetzt jedenfalls vor mir auf der Erde und Max schüttelte ein letztes Mal die Tüte aus, damit nicht ein Atom von mir ihn an mich erinnern würde. Ich hatte schweigend zugeschaut.
    »Tut mir leid, Max«, war das Einzige, was mir dazu einfiel. »Wir passen doch sowieso nicht zusammen. Es wäre nie gut gegangen.«
    »Leck mich«, sagte er und stieg wieder in sein Auto ein. Als er rückwärts ausparkte, hätte er beinahe mein Fahrrad plattgemacht.
    »Hey«, schrie ich, aber er zeigte mir nur den Mittelfinger und gab Vollgas. Kleine Kiesel spritzten auf, eine Staubwolke blieb zurück. Ich sammelte die Sachen vom Boden ein und fühlte mich einfach nur noch müde.
    Als ich am Montagmorgen in den Kindergarten kam, war ich komplett verunsichert. Sollte ich

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