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Todesflirt

Todesflirt

Titel: Todesflirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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übernachtet hat.«
    Das war ein Argument. Mir fiel das Bild ein, wie David neulich Morgen überstürzt geflüchtet war, nachdem er meine Glatze gesehen hatte. Und dass neben dem Bett sein T-Shirt liegen geblieben war. Das erzählte ich auch meiner Mutter.
    »Aber ich bin total sicher, dass das T-Shirt unbedruckt war, das war blütenweiß, noch ganz neu.«
    »Tabea, bitte«, meine Mutter fuhr durch ihre langen dunkelblonden Haare und warf sie mit einer zackigen Bewegung auf ihren Rücken. Wie immer, wenn sie sauer oder nervös war. »Dein David ist ein komischer Vogel, da kannst du sagen, was du willst.«
    »Aber er ist doch kein Nazi!«, schrie ich und musste Tränen der Empörung schlucken. »Hey, der arbeitet in einem Kindergarten, schon vergessen?«
    »Nein«, meine Mutter sah zur Decke. »Das heißt allerdings gar nichts. Ich hab gelesen, dass so rechtsextreme Typen immer häufiger in sozialen Einrichtungen als vorgeblich verständnisvolle Erzieher auftauchen – da können sie bei den Kleinsten schon anfangen, sie zu indoktrinieren!«
    »Schmarrn«, entfuhr es mir. Ich wusste, dass sie recht hatte. Natürlich wusste ich es. »Aber David doch nicht! Bitte!«
    »Aber wo soll das T-Shirt sonst herkommen?«
    »Von diesem Scheiß-Torsten«, rief ich.
    »Was ist von Torsten?« Annika war unbemerkt hereingekommen. Wir zeigten ihr das T-Shirt, sie starrte angeekelt darauf.
    »Was heißt denn ›Endlich 18‹?«, fragte sie. »Never, das ist niemals von Torsten. Klar, der ist schon ein bisschen spleenig, aber so was – echt nicht!«
    »Die ›18‹ steht vermutlich für den ersten und achten Buchstaben im Alphabet«, erklärte meine Mutter. »Also A und H – Adolf Hitler.«
    »Und was soll das mit dem Verstecken?«
    »Na, diese Nazi-Ärsche wollen sich nicht mehr verstecken müssen«, mutmaßte meine Mutter.
    Ich zuckte ratlos die Schultern. Sie nahm das T-Shirt und schnupperte daran, befühlte den Aufdruck.
    »Keine Ahnung – vielleicht war das T-Shirt ja wirklich weiß und erst durch das Waschen ist die Schrift zum Vorschein gekommen«, überlegte sie.
    »Boah, wie perfide ist das denn!« Annika sah mich abschätzend an. »Da gehen die Kiddies harmlos auf ein Konzert oder so was, bekommen ein hübsches, unauffälliges T-Shirt geschenkt, und nachdem sie es gewaschen haben – bingo!«
    »Das trau ich denen zu«, sagte meine Mutter nachdenklich. Und dann ruhte ihr Blick wieder auf mir. Ihre Finger kneteten das T-Shirt durch.
    »Und deine Frisur hat wirklich nichts damit zu tun?« Wie Pfeile trafen ihre Worte meine Brust, drangen in mein Herz.
    »Hast du sie noch alle?«, konnte ich nur schreien. Das durfte doch nicht wahr sein – meine eigene Mutter verdächtigte mich rechtsextremer Umtriebe! Ich riss ihr das T-Shirt aus der Hand und rannte aus der Küche.
    »Tabea, warte doch«, rief sie mir hinterher. »Wir können doch reden, über alles.« Aber da war ich schon draußen, stürmte die Treppe nach oben, vorbei an der verdatterten Juli, direkt in mein Zimmer, und schloss die Tür hinter mir ab.
    Völlig erschöpft ließ ich mich auf das Sofa unterm Fenster fallen und klammerte mich an ein lila Kissen.
    Was hatte David mit Nazitypen zu tun? Konnte das sein? Ich spürte, wie ich immer schneller atmete. Ich stürzte ins Bad und trank lange kaltes Wasser aus dem Hahn. Ich schüttete mir Wasser ins Gesicht, über den Kopf. Langsam richtete ich mich auf. Sah mein Gesicht im Spiegel. Wie fremd es noch immer aussah. Es erinnerte mich an das Gesicht von Robin. Der kahle Kopf, die großen dunklen Augen. Wenn David irgendwas mit irgendwelchen Nazis zu tun hatte, dann war es vielleicht kein Wunder, dass er angesichts meines kahlen Kopfes abgehauen war. Wer weiß, welche inneren Filme der Anblick in ihm abgespult hatte. Warum konnte das Gesicht im Spiegel nicht einfach den Mund aufmachen und das Geheimnis lüften? Die Wasserperlen liefen meine Wange hinunter und sahen aus wie Tränen. Als Kind hatte ich immer erwachsen sein wollen. Lieber heute als morgen. Mit jedem Jahr, das ich älter wurde, hatte sich dieser Wunsch verstärkt. Und jetzt sehnte ich mich nach nichts mehr, als wieder sechs Jahre alt zu sein und meiner Mutter auf den Schoß zu krabbeln, damit sie mich tröstete und mir sagte, alles würde gut werden. Ich stöhnte laut auf und ging zurück in mein Zimmer. Die letzten Tropfen streichelten meinen Nacken, krabbelten den Rücken hinunter. Ich fröstelte.
    Durch das Fenster, das nach Westen ging, schienen die letzten

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