Todesflirt
auf ganz sanft gestellt. Torsten lachte höhnisch auf.
»Ach, unser Softie«, sagte er. »Hat er dir erzählt, wie gerne er früher Ausländergesocks und anderen Abschaum verprügelt hat?«
»Hör auf«, schrie David von hinten.
»Ach komm, du warst einer unserer Besten, das muss doch mal gesagt werden. Kanntest kein Pardon. Brauchste dich nicht für genieren.«
»Wichser«, zischte David und ein Trampeln verriet mir, dass er wütend mit den Füßen aufzustampfen versuchte.
»Sch!«, machte Torsten. »David oder ich sag besser Malte, denn so heißt er ja nun mal und dieser jüdische Scheiß kommt mir eh nur schwer über die Lippen … also, Malte war nicht nur gut im Verdreschen, das kannste mir glauben. Auch wenn es darum ging, neue Kameraden zu rekrutieren, war er unschlagbar. Wie der den Jungs den Mund wässrig gemacht hat – die haben sich drum geprügelt, bei uns dabei zu sein. Mit Begeisterung hat er Konzerte organisiert, Infostände betreut, CDs verteilt. Ich meine, mit seinen blonden Haaren, den blauen Augen – der Führer hätte seine Freude an ihm gehabt.«
»Du lügst«, schrie David und donnerte seine gefesselten Hände gegen die Rückenlehne des Fahrersitzes.
»Na, na«, tat Torsten streng. »Ich dachte immer, der Führer ist dein großes Idol. Hast dir doch sogar seinen Namen riesengroß auf den Rücken tätowieren lassen. Hast doch sogar eine Anzeige deswegen in Kauf genommen.« Ich zuckte zusammen, als habe er mich noch einmal geschlagen. Die Narben auf Davids Körper stammten von nichts anderem als entfernten Tattoos!
»Und der hübsche SS-Totenkopf auf der Wade und der Reichsadler auf dem Oberarm – daran willst du dich nicht mehr erinnern, du Verräter!« Er sprach nun lauter, aggressiver, spuckte die Worte hervor.
Ein Schauer strich über meine Haut, die Luft wurde kühler. Die Sonne war fort, es schien schattig um uns herum zu werden. Als hätten wir ein Waldgebiet erreicht. Torsten bremste und bog ein weiteres Mal ab. Der Wagen begann zu holpern, als fahre er nun nicht mehr über eine asphaltierte Straße. Bestimmt war das hier ein Waldweg.
Nach etwa zehn Minuten Geholper hielt Torsten an. Er schnallte sich und mich ab, stieg aus und forderte auch uns dazu auf. Endlich konnten wir die Sonnenbrillen abnehmen.
Um uns herum war es vollkommen friedlich. Hohe, schlanke Nadelbäume, deren Kronen das Tageslicht aussperrten. Moosbewachsene Baumstümpfe, ein schmaler Pfad, von Gebüsch und Beikraut gesäumt. Irgendwo zwitscherten Vögel, ein Specht hämmerte, träge Hummeln summten im Busch. Schräg fielen wenige Sonnenstrahlen durch die Äste. Weit und breit nichts und niemand.
»Los geht’s«, sagte Torsten. Er griff kurz in einen Lederrucksack und zog eine Pistole hervor. »Damit ihr mir nicht auf dumme Gedanken kommt.«
Wir liefen los. Schweigend. Brütend. Mir war kalt, trotz der sommerlichen Temperaturen. Ich fühlte mich, als habe ich seit Wochen keinen Schlaf bekommen. Mein Herzschlag trieb mich voran, ich sah auf meine Füße, passte auf, dass ich nicht an Wurzeln strauchelte. Dicht hinter meinem Kopf das Schnaufen von David. Malte. David war verschwunden, irgendwo zwischen U-Bahn-Schacht und Waldparkplatz. Einen Moment konnte ich mich nicht erinnern, warum ausgerechnet ich hier mit zwei fremden Männern durch einen finsteren Wald lief. Was hatte ich mit diesen Übeltätern zu schaffen? Juli, Juli, Juli, raschelten die Grashalme. Juli, Juli, Juli, pochte der Specht.
Als ich aufblickte, sah ich das Ende des schmalen Weges. Eine kleine Lichtung tat sich auf, darauf eine Art Hütte, die einen maroden Eindruck machte.
»Willkommen«, sagte Torsten mit diesem perfiden Lächeln im Gesicht. »Im Heim für unwertes Leben.« Am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht gespuckt.
»Darf ich die Herrschaften bitten, sich hier an den Baum zu stellen«, forderte er uns auf.
»Erst will ich Juli sehen«, sagte ich mit fester Stimme. Torsten legte den Kopf schief, hob die Augenbrauen und schloss gleichzeitig kurz die Augen.
»Wie Gnädigste befehlen.« Er packte mich am Oberarm, ich spürte den Lauf der Pistole in meinem Rücken, ihre Kälte übertrug sich durch den Stoff direkt auf meine Haut. Er zerrte mich zum Hütteneingang, stieß die Tür auf und ich brauchte einen Moment, bis ich mich an das finstere Innere gewöhnt hatte. Torsten blieb im Türrahmen stehen, hielt Malte mit der Pistole in Schach.
»Juli«, schrie ich auf. Ich ruckelte und zog, wollte mich losmachen, aber sein Griff
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