Todesflut: Thriller
kam ans Telefon.
»Ich bin’s, Schatz.«
»Es nähert sich also wirklich ein Tsunami?«
»Genau wissen wir es noch nicht, aber es sieht ganz danach aus.«
»Gütiger Gott! Wann soll er eintreffen?«
»In einer guten Stunde.«
»In einer Stunde? Hast du nicht gesagt, dass ein Tsunami aus Alaska fünf Stunden bis zu uns braucht?«
»Er kommt nicht aus Alaska.«
»Einer von hier? Big Island?« Rachel wusste, dass ein von einem Erdrutsch oder Erdbeben vor Ort verursachter Tsunami Oahu in weniger als fünfundvierzig Minuten erreichte.
»Nein. Er kommt von irgendwo im Pazifik. Hör zu, Rachel. Ich muss los. Ich melde mich bald. Hier ist Brad. Pass auf dich auf.«
Ein Knattern war zu hören, als ihr Mann das Handy seinem Bruder reichte.
»Ich bin es wieder.«
»Brad, ich muss hier ein paar Dinge in Angriff nehmen.«
»Warte, Rachel! Hat Lani ein Handy?«
Rachel war davon ausgegangen, dass Teresa die beiden Mädchen in Sicherheit bringen würde.
»Warum? Stimmt etwas nicht? Ist alles okay? Wo ist Lani?«
»Langsam. Ich weiß es nicht. Ich habe versucht, Teresa zu erreichen, aber ich lande immer wieder bei ihrer Voicemail. Ich hatte gehofft, dass Lani ein Handy hat.«
»Nein, sie bekommt zum Geburtstag ein neues.«
»Sie hören bestimmt die Sirenen und bringen sich in Sicherheit.«
»Brad, kümmerst du dich um sie? Bitte? Ich habe keine Zeit.«
»Mach dir keine Sorgen. Ich mache das.«
Brad klang souverän. Aber so klang er immer. Sie hatte keine Wahl, sie musste ihm vertrauen, also legte sie auf und wandte sich wieder ihren Aufgaben zu.
Während die Gouverneurin ihre Rede fortsetzte, schlängelte sich Rachel zwischen den Tischen der Kriegsversehrten hindurch. Das Grand Hawaiian war ein hochmodernes Hotel der Spitzenklasse und verfügte über wohldurchdachte Katastrophenpläne für den Fall eines Tsunamis. Vierteljährlich wurden entsprechende Übungen für das Personal abgehalten. Rachel hatte an zwei Übungen teilgenommen.
Die erste, zweite und dritte Etage mussten geräumt und die Gäste in einem der höher gelegenen Stockwerke untergebracht werden. Der Ballsaal befand sich im sechsten Stock, sie würden also niemanden evakuieren müssen.
Sie entdeckte den Assistenten der Gouverneurin, William Kim, mit dem sie das Bankett organisiert hatte. Seit einer Woche hatte er ihr das Leben schwer gemacht und jede Kleinigkeit fünf Mal geändert. Ihm die Nachricht zu überbringen würde kein Zuckerschlecken werden.
»Mr. Kim«, flüsterte sie. »Ich muss mit Ihnen reden. Sofort.«
Sie zog ihn an den Rand des Saals.
»Was ist denn los? Ich verpasse die Rede.«
»Es könnte einen Tsunami geben.«
»Meinen Sie das ernst?«
»Ja. Jeden Augenblick wird die Warnung kommen. Sie müssen es der Gouverneurin sagen.«
»Mitten in ihrer Rede?«
»Glauben Sie nicht, dass sie es möglichst früh erfahren möchte?«
»Die Warnung ist also noch nicht abgesetzt worden?«
»Doch. Es fehlt nur noch die öffentliche Bekanntmachung.«
»Wie wissen Sie denn dann …«
»Ich weiß es von meinem Mann. Er ist …«
»Von Ihrem Mann?«, erwiderte er rotzfrech. »Mrs. Tanaka, im nächsten Jahr lässt sich die Gouverneurin für die Senatswahl aufstellen, und in diesem Saal halten sich einige sehr wichtige Sponsoren auf. Wenn ich sie unterbreche und Sie sich getäuscht haben …«
»Ich bitte Sie, Mr. Kim. Ich bin doch keine Vollidiotin. Wie ich Ihnen zu sagen versuchte, ist mein Mann der stellvertretende Direktor des Pazifischen Tsunami-Warnzentrums.«
»Na gut. Dann kommen Sie wieder, wenn die Warnung eingegangen ist. So kann die Gouverneurin wenigstens ihre Rede beenden.«
»Hören Sie, ich habe keine Zeit für Ihre Mätzchen und die Gouverneurin auch nicht.« Mit diesen Worten betrat Rachel das Podium, den Assistenten im Schlepptau. Er hielt sie nur deshalb nicht zurück, weil er zu feige war, Aufsehen zu erregen.
Auf dem Podium bildete sich Rachel ein, durch die gut isolierten Wände des Ballsaals das schwache Heulen einer Sirene zu hören. Sie legte ihre Hand leicht auf die Schulter der Rednerin. Die Gouverneurin unterbrach sich und bedeckte das Mikrofon mit der Hand.
»Ja? Wer sind Sie?«
»Ich habe versucht, sie davon abzuhalten …«, begann der Assistent.
Rachel ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Ich bin Rachel Tanaka, die Hoteldirektorin. Im Bundesstaat Hawaii wird vor einem Tsunami gewarnt.«
»Was?«
»Madam, mein Mann ist Kai Tanaka, der …«
»Kai Tanaka? Vom Tsunami-Warnzentrum?«
»Ja, Madam.
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