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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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will und wenn es das ist, das dich schreckt, ich bin es meinem Gerechtigkeitssinn schuldig. Gerechtigkeit ist in diesem Fall keine Frage des Geldbeutels. Meret Platen wirft ihr Recht jetzt gerade weg, wenn sie sich nicht rechtzeitig und ernsthaft beraten lässt. Du bist eine gute Anwältin, auch weil du sozusagen unabhängig bist.«
    Natürlich steht die Nummer der Staatsanwaltschaft in meiner Agenda. Von der Vermittlung wird mein Anruf direkt in die Einvernahme durchgestellt, jetzt meldet sich Urs Bäumlin, der einvernehmende Haftrichter. Ihn kenne ich flüchtig. Dann ist unvermutet Sven Dornbier am Apparat, ich hätte es wissen müssen. Ich erkenne seine Stimme sofort. Sven ist erfreut, ich höre es an diesem bestimmten Ton. Es ist mehr als peinlich, ich dränge mich in einen Fall; ich fühle, wie ich rot werde. Sven ist ganz meiner Meinung, es ist Zeit, dass Frau Platen eine Anwältin zur Seite hat. Dann höre ich den Wortwechsel, ein Hin und Her mit Urs Bäumlin, die Frauenstimme muss Frau Platen sein; ich kann nicht folgen. Svens Stimme energisch, er will, dass ich komme. Dann redet er wieder mit mir.
    »Es gibt ein Hindernis, du bist schon mit dem Fall in Berührung gekommen, direkt verwickelt, du warst es doch, die diese Hand im Kühlschrank deines Vaters gefunden hat. Ich muss mich noch einmal mit Urs Bäumlin besprechen.« Dann ist Sven wieder in der Leitung. »Du kannst jetzt kommen, gleich, vorläufig als Provisorium. Frau Platen beharrt jetzt darauf, dass du ihre Anwältin sein sollst. Das Haftrichteramt wird entscheiden, ob du als Parteienvertreterin in diesem Fall zugelassen werden darfst. Allenfalls lässt sich immer noch ein Zweit-Anwalt zwischenschalten. Sie will dich jetzt sprechen.«
    Schon höre ich ihre Stimme, sachlich, bittend, etwas leise. »Ich weiß, ich überrumple Sie, wir müssen alles besprechen. Im Moment bin ich Ihnen dankbar, wenn Sie gleich kommen können.«
    Wieder ist Sven Dornbier in der Leitung. Wie sollte ich jetzt noch absagen? In einer halben Stunde bin ich im Amtsgebäude. Ich lege den Hörer auf, schaue auf Alja, die so unschuldig in ihrem Sessel sitzt. Ich bin empört:
    »Ich wurde manipuliert, überfahren, ich komme mir erpresst vor. Das habe ich jetzt von unserer Freundschaft. Mit derartigen Leuten will ich nichts zu tun haben. Ich kenne sie nicht, spreche ihre Sprache nicht, mir genügt der Abstecher in Bennos Familie. Wie soll ich schon nur diesen Tag hinkriegen, es ist kurz vor halb zehn!«
    Jetzt geht alles recht hektisch. Alja umarmt mich zum Abschied, meint: »Am Wochenende musst du mit Noël zum Mittagessen kommen.«
    Ich stehe einen Augenblick am Fenster, schaue ihr nach, wie sie durch den Vorgarten davongeht, ohne auch nur zurückzublicken. Diese bestimmte Art zu gehen, rasch, sehr beweglich, sehr französisch, erhobenen Hauptes. Ich habe ein Problem.
    Ich bin stark, atme tief durch, ich improvisiere:
    Lukas verzichtet auf seinen Mittag, springt ein und ich schenke ihm nächste Woche einen halben Tag. Er ist wirklich flott und ich sage es ihm auch. Er wird mit Moshe Gassi gehen. Dann wartet er auf Noël, der nach halb ein Uhr vom Schwimmtraining heimgebracht wird. Lukas kann Zeitung lesen, er darf auch telefonieren und natürlich Musik hören. Er wird die Quiche um halb ein Uhr in den Backofen schieben, wird mit Noël essen. Um zwanzig nach eins muss Noël wieder zur Schule. Lukas wird die Akte für 15 Uhr bereitlegen. »Und vergiss nicht, mit Noël ein bisschen zu plaudern.« Lukas ist mein Praktikant. Ich entschuldige mich vor mir selbst, ich benutze ihn nicht einfach als Kindermädchen.
    Ein Griff in den schmalen Schrank, der schwarze Streifenblazer, etwas knapp sitzend, an den Ellenbogen etwas glänzend, nicht ganz optimal die helle Hose, etwas zu flippig auch das Kettchen meiner Armbanduhr. Im Garderobenspiegel entdecke ich doch die paar Hundehaare, rasch abrollen. Jetzt der Griff nach der grünen Halsschleife, Socken weg, weil zu grau, strumpflos in die schwarzen Pumps mit dem kleinen Absatz, Blitzkämmen und Haarspray, Lippenstift und die Nase gepudert – fürs Amt reicht die Seriosität.
    Es eilt, also der ›Jeep‹. Als zutrittsberechtigt kurve ich ins Parkhaus des Amts, die Reifen quietschen auf dem Sonderbelag, besetze eines der Parkfelder direkt vor dem Eingang zum Lift, die eigentlich für Behördenmitglieder reserviert sind.
    * * *
    Hinter der verglasten Empfangstheke im Parterre zum Kommissariat sitzt ein mir unbekannter Beamter. Der Zentrallift

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