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Todesfracht

Titel: Todesfracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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schaltete den Monitor aus. »Entschuldigt, meine Lieben.«
    Juan konnte die Anstrengungen seines Schiffes durch seine Schuhsohlen spüren, als es sich gegen den Widerstand stemmte, den ihm das Kreuzfahrtschiff entgegensetzte. Die Vibrationen schienen die
Oregon
auseinanderzureißen, und jedes Zittern war wie ein Messerstich in Juans Brust.
    »Komm schon, du Biest«, knurrte er. »Beweg dich!«
    Ein Rumpeln entstand über der Bucht, so tief und intensiv, dass es eher ein Gefühl auf der Haut war als ein Laut, der die Ohren traf. Die Spitze des Berges war von einer dichten Aschewolke verhüllt, und der Untergrund schwankte so heftig, dass der Strand aussah, als würde er flüssig werden. Das war’s. Der Ausbruch. Die Haupteruption. Der Vulkan würde genauso explodieren wie der Mount Saint Helens, und eine Wand aus superheißer Asche und Gas würde sich als tödliche Lawine vom Gipfel herab ergießen, die von Wissenschaftlern als pyroklastischer Strom bezeichnet wurde, eine der zerstörerischsten Naturgewalten der Erde. Juan hatte alles aufs Spiel gesetzt und würde alles verlieren. Es war zu spät, um zurückzukehren und auch nur einen der Chinesen zu retten. Tränen brannten in seinen Augen, aber der energische Zug um sein Kinn blieb wie festgemeißelt in seinem Gesicht.
    »Wir müssen das Tau kappen«, sagte Max.
    Cabrillo schwieg.
    »Juan, wir müssen weg. Wir brauchen eine Distanz von mindestens drei Kilometern zwischen uns und dem Vulkan, wenn wir lebend von hier wegkommen wollen.«
    Er stellte die Bedeutung dieser Warnung nicht in Frage. Der pyroklastische Strom würde als giftige Wolke, die alles auf ihrem Weg verschlang, weit aufs Meer hinausreichen. Aber er sagte keinen Ton.
    »Bewegung!«, rief Eric. »Die Backbordwinde gibt nach. Anderthalb Meter pro Minute.«
    »Das muss der Schlupf sein«, konterte Max. »Der Anker rutscht über den Meeresboden.«
    Es war, als fände eine Sonnenfinsternis statt. Die Dunkelheit setzte so schnell ein, dass Juan die Augen tränten. Er konnte die
Selandria
im dichten Ascheregen kaum noch erkennen. Heiße Ascheflocken klebten an seinen Händen, während er weiter das Fernglas an die Augen hielt. Er konnte nicht entscheiden, ob sich der Ozeanriese bewegte oder ob Max recht hatte und der Anker ins Rutschen geraten war.
    Für eine halbe Ewigkeit sagte niemand ein Wort. Stone behielt die Geschwindigkeitsmesser im Blick, die stur auf null verharrten.
    Dann, über das Dröhnen der Eruption hinweg, schrie die
Selandria
auf, mit einem tödlichen, fast menschlichen Laut, als könnte sie die unermessliche Gewalt des Zugs und des Sturms nicht mehr ertragen.
    »Hab sie!«, rief Eric, während die Geschwindigkeitsmesser kaum wahrnehmbar zuckten.
    Max schaltete den Computermonitor wieder ein. »Spiel auf beiden Winden.«
    »Geschwindigkeit über Grund drei Meter pro Minute. Fünf.
    Sechs.«
    Während das Schiff den Auftrieb seines natürlichen Elements immer deutlicher zu spüren bekam, nahm die Geschwindigkeit kontinuierlich zu. Tory griff nach Juans Hand, während sie verfolgten, wie die
Seiandria
ins Meer zurückgezogen wurde, wobei ihre Rumpfplatten kreischend protestierten, als sie über soliden Fels schleifte. Und als eine besonders große Welle den Strand hinauf lief, drückte Tory Juans Hand, während das Schiff auf den Wellenkamm aufritt und sich das Heck kurz darauf hob und aus seinem Bett befreite.
    »Sie ist frei!«, rief Juan ins Operationszentrum hinunter und hörte laute Beifallsrufe von seiner Mannschaft. Jemand, wahrscheinlich Max, der unter seiner harten Schale bis auf die Knochen sentimental war, betätigte das Nebelhorn der
Oregon –
ein durchdringender feierlicher Ton, der endlos widerhallte.
    »Noch sind wir nicht im grünen Bereich«, sagte Juan und kehrte mit Tory in die Kommandobrücke zurück. Sie eilten hinunter ins Operationszentrum. Applaus brandete auf – viele seiner Leute schlugen ihm den Rücken grün und blau.
    Nun, da die
Seiandria
wieder flott war, befahl Juan, die Leistung auf fünfzig Prozent zu drosseln, und ließ das Bild der achtern installierten Kameras auf den Hauptschirm schalten. Erste Schaumkronen waren am Rumpf des Kreuzfahrtschiffs zu erkennen, während die
Oregon
mit zunehmender Geschwindigkeit auf die Bucht hinausstampfte.
    »Du lieber Himmel«, keuchte Tory.
    Die Spitze des Berges hatte sich in Dampf aufgelöst. Eine schwarze Aschewand rauschte den Berghang hinab. Es war eine wirbelnde, alles zudeckende Masse, die geradezu lebendig

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