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Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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hoffte. Zu ihrem Leidwesen waren aber auch hier sämtliche Zugänge inklusive der Fenster vernagelt. Die Bretter waren verwittert. Als sie daran zu rütteln versuchte, stellte sie jedoch fest, dass sie ebenso fest saßen wie die an der Gastwirtschaft. Jahre mussten vergangen sein, dachte sie, seit dieses Haus das letzte Mal betreten worden war. Wo auch immer Spencer steckte – hier drin hielt er sich ganz bestimmt nicht auf.
    Sina war versucht, seinen Namen zu rufen, doch irgendetwas hielt sie davon ab. Wahrscheinlich die Beklemmung, die sie verspürte, seit sie das Militärgelände betreten hatten.
    Auch Gabriele, die aus den massiven Bretterverschlägen vor dem Gebäude dieselben Rückschlüsse zog wie ihre Freundin, hielt sich damit zurück, durch Rufe auf ihr Erscheinen aufmerksam zu machen. Stattdessen sah sie sich nach einer weiteren Möglichkeit um, die Spencer als Übergabeort für das Probestück auserkoren haben könnte. Dabei fiel ihr ein offener Kuhstall mit Wellblechdach auf, nur wenige Meter neben dem Haupthaus gelegen. Die Dachrinne hatte sich gelockert und klapperte im böigen Wind. Beide Frauen tauschten einen einvernehmlichen Blick aus, bevor sie den Hof überquerten und den Stall betraten.
    Viel war nicht zu sehen. Im Innern war es dunkel, und sie nahmen einen muffig fauligen Geruch wahr. Vorsichtig wagten sich die Frauen vor. Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an das Dämmerlicht. Sie konnten Stallboxen erkennen, deren Gatter schief in den Scharnieren hingen. Wo sie hinsahen, lag vergammeltes Stroh auf dem Boden. Sie drangen tiefer in den Stall vor. Zaghaft und kaum hörbar wagte Sina nun den Versuch, nach Spencer zu rufen. Doch eine Antwort bekam sie nicht. Ganz im Gegenteil: Die Stille um sie herum schien dichter und bedrückender geworden zu sein. Für einen kurzen Moment überkam sie die irrationale Angst, nicht mehr von hier zurückkehren zu können, abgeschnitten zu sein von der Welt, ab dem Augenblick, da sie die Schwelle des Kuhstalls übertreten hatte. Sina spürte den Anflug von Panik und wandte sich um nach draußen.
    »Komm, Gabi, lass uns gehen. Hier haben wir nichts verloren«, appellierte sie an ihre Freundin, während ihr eine Gänsehaut nach der nächsten den Rücken herunterjagte. Das Dach über ihren Köpfen klapperte, als eine weitere Böe darüber hinwegfegte. Im gleichen Moment flog etwas dicht über ihre Köpfe. Fledermäuse! Gabriele schauderte es ebenso wie Sina. Sie nickte der anderen zu, woraufhin beide dem Ausgang zustrebten.
    Sie waren fast wieder an der frischen Luft, als Gabriele auf einen am Boden liegenden, sackförmigen Gegenstand aufmerksam wurde, ganz am Rand in einer schwer einsehbaren Nische. Sie stockte. Ebenso Sina, deren Panikattacken eine immer bedrohlichere Intensität annahmen.
    »Was … – was ist das?«, fragte Sina mit bebender Stimme.
    »Ganz ruhig, Kleine, das ist nur ein Haufen Unrat«, sagte Gabriele beschwichtigend, glaubte aber selbst nicht daran. Sie fühlte sich von der gekrümmt daliegenden Erscheinung auf widerstrebende Art angezogen. Sie musste sie untersuchen, um sich selbst und ihrer Freundin zu beweisen, dass ihre plötzlich aufkeimende Angst unbegründet war.
    Gabriele fasste den Mut, um den Sack mit ihrem Fuß anzustupsen. Dafür musste sie sehr nahe an das seltsame Etwas herantreten. So nahe, dass sie in dem Sack einen Umhang oder eine Jacke erkannte. Etwas Schweres, Träges war darunter verborgen. Gabriele zuckte zusammen und wich einen Schritt zurück. Sina, ganz dicht neben ihr, stieß einen spitzen Schrei aus. Auch Gabriele war danach, sich abzuwenden und davonzulaufen. Aber in ihr begehrte gleichzeitig das Drängen danach auf, den zugedeckten Gegenstand zu untersuchen. Nicht mit den Händen – bloß nicht! Aber vielleicht … Sie sah sich um, entdeckte eine Mistgabel. Gabriele streckte sie nach der Jacke aus, um diese mit den rostigen Zinnen hochzuheben.
    Ein abscheulicher, widerlich süßlicher Gestank verschlug den Frauen den Atem. Im Heu vor ihnen lag Spencer, dessen trübe, blutunterlaufene Augen anklagend zu ihnen hinaufstarrten.

12
     
    Eduard Diehl kehrte in das Haus zurück, das er versuchte möglichst zu meiden. Aufenthalte hierin reduzierte er durch viel Arbeit und Besuche von Kneipen und Restaurants auf ein Minimum. Seit dem Tod seiner Frau – mehr als fünf Jahre war es inzwischen her – fühlte er sich in den eigenen vier Wänden nicht mehr wohl. Seine Frau Helga fehlte ihm noch immer sehr, und ohne ihre

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