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Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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Frontscheibe gerichtet.
    Die Fahrt wurde immer ungemütlicher. Nach etwa fünf Minuten lichtete sich der Wald erneut. Die Bäume wichen Sträuchern und Büschen, dann war die Landschaft vor ihnen plötzlich kahl und ungastlich. Wie bizarre Kunstobjekte tauchten x-förmig verschränkte Stahlträger links und rechts vor ihnen auf. Panzersperren, mutmaßte Gabriele und umfuhr die klobigen Barrieren.
    Als Nächstes trafen sie auf einen mannshohen Maschendrahtzaun, der eine Krone aus Stacheldraht trug. Doch der Zaun befand sich in einem desolaten Zustand und wies meterweite Lücken auf. Durch eine dieser Lücken steuerte Gabriele ihren VW und fuhr auf losem Schotterboden weiter.
     
    Das ehemalige Frankenohe begrüßte sie mit dem unheimlichen Ambiente eines Gruselfilms. Das Dorf lag in völliger Dunkelheit vor ihnen. Die Gebäude waren nichts als Schattenrisse, zerfurcht von Beschädigungen durch Geschosse und den zerstörerischen Kräften von Wind und Wetter.
    Als sie näher kamen, sahen sie bröckelnde Wände und eingefallene Dächer. Von einigen Gebäuden standen nur noch die Grundmauern, andere wirkten relativ intakt und verfügten sogar noch über Fensterläden und Türen. Im Zentrum des Ortes ragte der Kirchturm auf, dessen Spitze fehlte und der wie ein pittoreskes Kunstwerk anmutete, dem weiteren Verfall trotzend.
    Gabriele hielt unmittelbar vor dem bröckelnden Sakralbau an und kurbelte die Fensterscheibe herunter. Die kühle Nachtluft wehte in den Wagen. Mit ihr ein leichter Geruch nach feuchtem Mörtel, Moder und Fäulnis.
    »Ziemlich unheimlich hier, was?«, sagte Sina und zog den Kragen ihrer Jacke zusammen.
    Gabriele antwortete nicht. Sie ließ ihren Blick über den Dorfplatz schweifen, der im Licht ihrer Scheinwerfer vage zu erkennen war. Dann öffnete sie die Tür und setzte ihre Füße auf den Boden. Sie hörte das Knirschen von Kieselsteinen, als sie auftrat. »Los geht’s, Kleine. Wir treffen uns mit Spencer im …« Beinahe hätte sie Saloon gesagt. Aber es war das frühere Gasthaus Zum Roten Ochsen, das ihr Geschäftspartner für die Zusammenkunft ausgewählt hatte. Der Beschreibung nach lag es unmittelbar gegenüber der Kirche. Sie hatten ihr Ziel also so gut wie erreicht.
    Auch Sina verließ den Wagen, umrundete ihn schnellen Schrittes und blieb dicht an Gabrieles Seite. Das Gebäude, auf das sie zugingen, war im klassischen Fachwerkstil der Region errichtet worden und befand sich noch in einem recht guten Gesamtzustand. Doch der Weg dorthin machte den gegenteiligen Eindruck.
    »Pfui Teufel, was für ein Matsch«, murmelte Gabriele. Ein schmatzendes Geräusch unter ihrem Fuß hatte ihren entsetzten Blick nach unten geführt. Besorgt um ihre schwarzen Lederstiefeletten, versuchte sie beim nächsten Schritt auszuweichen, was ein aussichtsloses Ansinnen war, denn nirgends war eine trockene Stelle zu sehen.
    Gabriele zog den Schuh aus dem zähen Schlamm. Die Pfütze, die der Stiefel hinterließ, begann sich augenblicklich mit trübem Wasser zu füllen. Mit einem resignierten Seufzer gab Gabriele ihre Sorge um die Stiefel auf und tat es Sina gleich, die längst weitergegangen war.
    Der vereinbarte Treffpunkt, das alte Gasthaus, lag nun direkt vor ihnen. Die Türen waren verrammelt und mit über Kreuz davor genagelten Brettern zusätzlich gesichert worden. Das Gleiche galt für die Fenster. Sie machten einen halbherzigen Versuch, die Hindernisse zu beseitigen, brachen aber bald ab.
    »Ohne Werkzeug kommen wir da unmöglich rein«, meinte Sina, nachdem sie kräftig an den Brettern gerüttelt hatten.
    »Wenn wir das nicht schaffen, gilt das auch für Spencer«, folgerte Gabriele und sah sich missmutig um. »Vielleicht hat er kurzfristig umdisponiert und einen leichter zugänglichen Ort gewählt.« Ihre Aufmerksamkeit wurde von einem Bauernhaus ganz in der Nähe angezogen, das ebenfalls noch recht gut in Schuss zu sein schien. »Komm, Sina, versuchen wir es dort«, bestimmte sie und stapfte los.
    Der gute Eindruck, den die Bauernkate aus der Entfernung auf sie gemacht hatte, wich der Ernüchterung. Das verlassene Gehöft war heruntergekommen wie fast der ganze Ort: Leere Häuser, Ställe, Scheunen und Schuppen säumten die ehemalige Dorfstraße, die vor Morast starrte. Das, was einmal die Heimat einer Dorfgemeinschaft gewesen war, zerfiel unter einem bleiernen Himmel langsam zu Ruinen.
    Sina schritt die Front des Haupthauses entlang, in dem sie auf Spencer und das Musterstück aus der Gemäldesammlung

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