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Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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sich nicht anstecken wollte. Diehl konnte das nur recht sein. So störte ihn jedenfalls niemand beim Nachdenken.
    Eine Virus-Attacke auf den amerikanischen Vizepräsidenten? Diehl mochte sich mit diesem Gedanken nicht anfreunden. Nicht weil er so abscheulich und heimtückisch war, sondern eher deshalb, weil er ihm schlichtweg zu unwahrscheinlich erschien. Denn, so fragte er sich nach einer nüchternen Abwägung der Faktenlage, was wollen Terroristen normalerweise mit Anschlägen erreichen? Er gab sich selbst die Antwort: eine große, möglichst unverzüglich eintretende Wirkung! Gerade die aber könnte ein Angriff mit dem Marburg-Virus nicht erzielen. Gesetzt den Fall, dass es den Söldnern gelingen sollte, die strengen Sicherheitsvorkehrungen zu durchbrechen, sich dem Vize zu nähern und ihn mit einem virusgetränkten Serum zu besprühen, würden mehrere Stunden, wenn nicht sogar Tage vergehen, bevor sich erste Anzeichen einer Infektion bei dem Opfer einstellen würden. Und selbst dann: Der Vizepräsident würde unverzüglich unter Quarantäne gestellt werden und – wenn überhaupt – ein einzelnes Opfer bleiben. Die Wirkung wäre – im Gegensatz zu einer Atombombenexplosion – gleich null.
    Nein, nein, dachte Diehl. Das konnte noch nicht die ganze Lösung sein. Einen wichtigen Faktor musste er bislang übersehen haben. Aber welchen?
     
    Gabriele wurde auf dem Stuhl fixiert. Danach war Sina an der Reihe. Der Ire bekam sie am Hals zu packen und drückte sie brutal an die Wand. Sie röchelte.
    »Wir haben Ihre Angaben noch einmal überprüft.« Die Stimme kam aus einem nicht sichtbaren Lautsprecher, beide Frauen ordneten sie jedoch ohne zu zögern dem Übersetzer des Alten zu. »Wir konnten sie nicht verifizieren. Der BND in Pullach ist gut abgeschirmt und schützt seine Agenten. Darin mag der Grund dafür liegen.«
    Gabriele atmete auf. »Ja, richtig. Man wird unsere Identitäten nicht preisgeben. Was haben Sie erwartet?«
    Die blecherne Lautsprecherstimme erstickte Gabrieles Hoffnungen im Keim: »Um Ihre Aussagen als Tatsache zu akzeptieren, müssen wir sicherstellen, dass Sie uns nichts vormachen. Nach der Prüfung unserer Optionen sind wir von dem Wahrheitsserum abgekommen. Um einen zeitnahen Erfolg zu erzielen, setzen wir daher auf die altmodische Art: Wir werden Ihrer Bekannten Leid zufügen. Sie, Frau Doberstein, können das Ausmaß dieses Leids in beide Richtungen beeinflussen, indem Sie uns die reine Wahrheit sagen.«
    »Wie … was meinen Sie?«, fragte Gabriele alarmiert.
    Der Ire erhöhte den Druck auf Sinas Kehle.
    »Wir beginnen mit der Amputation des kleinen Fingers«, verkündete die Lautsprecherstimme. »Dies ist ein Zeichen dafür, dass wir es ernst meinen.«
    Wie auf Kommando zog der Ire eine Kneifzange aus seiner Tasche.
     
    Während Diehl über den Unwägbarkeiten der diffusen Bedrohungssituation brütete, wurde ihm wieder warm. Zu warm, wie er fand, weshalb er das Thermostat am Heizkörper seines Büros auf null drehte. Doch das half kaum etwas gegen seine Hitzewallungen, sodass er beide Fenster öffnete und frische Luft hineinließ. Was, verflixt, hatte es mit dem Marburg-Virus auf sich? Er stellte sich diese Frage zum x-ten Mal, ohne einer Antwort näherzukommen. Schließlich platzte ihm der Kragen: Notfallplan und Zuständigkeit hin oder her – er musste persönlich etwas unternehmen. Und zwar unverzüglich!
    »Harry!«, brüllte er, woraufhin sein Assistent den Kopf durch den Türrahmen schob, es aber tunlichst vermied, die Schwelle zu überschreiten. Diehl ärgerte das hasenfüßige Auftreten des jungen Kommissaranwärters, doch angesichts seines nachlassenden Wohlbefindens brachte er ein gewisses Maß von Verständnis für Harrys Vorsichtsmaßnahmen auf. Im Befehlston ordnete Diehl an: »Suchen Sie mir die Nummer des Verbindungsoffiziers raus. Ich will Curtis noch einmal sprechen. Vielleicht können wir mit seiner Hilfe irgendetwas tun.«
    Harry machte nicht den Eindruck, als sei er besonders scharf darauf, tiefer als unbedingt nötig in die Sache mit den Amis und den Viren hineingezogen zu werden. Dennoch nickte er dienstbeflissen und verschwand wieder im Nachbarbüro.
    Während Diehl auf das Zustandekommen des Telefongesprächs wartete, wischte er sich mit der flachen Hand über die Stirn. Sie war immer noch heiß und schweißnass.
     
    »Nein!« Sinas Schrei war gellend.
    Auch Gabriele starrte angsterfüllt auf das Werkzeug in den Händen des irischen Bauern, der die Zange mit

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