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Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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»Leise, Kleines«, zischte sie. »Du verwechselst da etwas: Den Krieg gegen die Großmacht USA planen nicht wir, sondern unser Kontrahent. Wir können also eher auf die Hilfe dieser Großmacht zählen, als uns vor ihr zu fürchten.«
    »Aber nur, wenn man uns rechtzeitig findet«, kommentierte Sina. »Woran ich große Zweifel habe.«

26
     
    25 Jahre war es her, dass das Virus erstmals bekannt wurde. Es war der Tag, als im hessischen Marburg eine seltsame Epidemie ausbrach: Am 15. August 1967 wurde ein junger Mann in die Universitätsklinik eingeliefert. Er klagte über hohes Fieber, starken Durchfall und trug Pusteln überall am Körper. Die ratlosen Ärzte verabreichten ihm diverse Antibiotika und gaben ihm Infusionen. Doch ihre Therapie schlug nicht an. Nach einer Woche zeigte der Mann Anzeichen geistiger Verwirrung, wenig später fiel er ins Koma. Er lief blau an und blutete aus allen Körperöffnungen inklusive der Einstichstellen seiner Infusionen. Als er wenig später starb, meldeten sich bereits die nächsten Patienten mit ähnlichen Symptomen. Innerhalb kürzester Zeit mussten 28 Frauen und Männer behandelt werden, ab sofort auf Isolierstationen. Sechs von ihnen starben unter höllischen Qualen, die anderen überlebten völlig ausgezehrt und stark geschwächt. Die Suche nach Gemeinsamkeiten aller Opfer brachte an den Tag, dass sie mit Tierversuchen eines Pharmakonzerns betraut gewesen waren: Zu Forschungszwecken hatten die Veterinäre, Laborantinnen und Pharmakologen afrikanische Meerkatzen getötet, um neue Impfstoffe zu gewinnen. Der junge Mann, der das erste Virusopfer abgab, hatte einem der Äffchen den Schädel geöffnet und das Hirn entnommen. Dabei – so konnte man rekonstruieren – kam er in Berührung mit der Hirnflüssigkeit des Tieres. Bald erhärtete sich der Verdacht, dass die Meerkatzen Überträger einer bis dato unbekannten, tödlichen Virusinfektion waren: nach der Stadt ihres ersten Auftretens Marburg-Virus genannt. Sämtliche Ärztekunst versagte im Kampf gegen diese tückische neue Bedrohung – das Virus entwickelte eine ungeahnte Zerstörungskraft gegen den menschlichen Organismus. Eine weitere Verbreitung war nur durch strikte Isolation zu erzielen.
    Diehl hörte sich all diese Informationen mit einem nach außen teilnahmslosen Gesichtsausdruck an. Innerlich aber war er aufgewühlt und zutiefst besorgt, als ihn der Leiter des städtischen Gesundheitsamtes, flankiert von zwei Fachärzten des Nürnberger Nordklinikums, über den Sachverhalt informierte.
    »Mit anderen Worten«, sagte Diehl, um das eben Gehörte zu verarbeiten, »unser komplettes Polizeilabor bleibt vorläufig geschlossen? Der ganze Trakt ist unter Quarantäne gestellt, und die Kolleginnen sind auf Isolierstationen untergebracht?«
    »Ja«, sagte der Gesundheitsamtschef mit zerfurchter Miene. »Alles spricht dafür, dass das berüchtigte Marburg-Virus im Präsidium eingeschleppt wurde.«
    »Weshalb es äußerst wichtig ist, die Kette der Übertragung unverzüglich zu identifizieren und zu durchbrechen«, schaltete sich einer der beiden Ärzte ein. »Ist es zutreffend, dass die Viren mit einem von Ihnen sichergestellten Beweisstück hierher gelangt sind?«
    Diehl hob unschlüssig die Schultern. Bevor er eine überzeugende Antwort formulieren konnte, näherte sich ihm der andere der beiden Ärzte. Zu Diehls Befremden trug er Latexhandschuhe.
    »Darf ich?«, fragte der Mediziner und tastete, ohne eine Antwort abzuwarten, Diehls Wangen ab.
    »Was machen Sie da?« Diehl entzog sich mit einer energischen Bewegung der ungewünschten Untersuchung.
    »Sie sind mit dem Heu doch selbst in Berührung gekommen. Eine Übertragung auf Ihren Organismus ist nicht ausgeschlossen«, erklärte der Arzt ruhig und taxierte ihn dabei genau.
    »Na, hören Sie mal: Ich habe weder Fieber, noch Durchfall.« Mit einem entschiedenen Ruck zog Diehl das Hemd aus seinem Hosenbund und entblößte seinen runden weißen Bauch. »Sehen Sie hier irgendwo Pusteln und Ekzeme? Nein! Ich kann Ihnen versichern, dass es mir gut geht!« Verärgert fügte er hinzu: »Außerdem bin ich Profi genug, um Handschuhe zu tragen, wenn ich ein Beweisstück an mich nehme. Es gab keinen Hautkontakt. Wäre das damit geklärt?«
    Die drei Männer sahen sich fragend an. Schließlich stellte der Amtsleiter fest: »Wir müssen Sie auffordern, sich unverzüglich im Klinikum einzufinden, sollten sich auch nur die leisesten Anzeichen einer Virusinfektion bei Ihnen

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