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Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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der Ire der am Boden Liegenden noch einen Fußtritt in den Bauch verpasste.
    »Freu dich nicht zu früh, du Schlampe!«, fuhr er sie an. »Ich kriege dich schon noch.«

28
     
    Diehl konnte es weder sich selbst noch seinen Mitmenschen gegenüber verantworten, die Zeichen zu negieren. Er musste verantwortungsvoll handeln – und das bedeutete eine Selbsteinweisung ins Nordklinikum.
    Er passierte die Hauptpforte und schritt mit gesenktem Kopf durch den weitläufigen Krankenhauskomplex, der auf ihn kalt, abweisend und insgesamt schon sehr in die Jahre gekommen wirkte. Als er sich in der Notaufnahme meldete, wurde er umgehend in einen separaten Warteraum geschickt, wo er die nächsten 20 Minuten allein verbrachte. Viel Zeit, um seinen düsteren Gedanken nachzuhängen.
    Der Arzt, der sich seiner annahm, trug Latexhandschuhe und Mundschutz.
    »Dr. Mertins – Ihre Beschwerden?«, erkundigte er sich, während er Diehl einer ersten, äußerlichen Untersuchung unterzog.
    »Erkältungssymptome«, antwortete Diehl. Er machte die Brust frei, damit der Doktor sein Stethoskop aufsetzen konnte. »Außerdem Hitzewallungen, Schweißausbrüche und Nasenbluten.«
    »Nasenbluten?« Der Arzt unterbrach das Abhören seines Patienten. Er nahm eine winzige Taschenlampe aus seinem weißen Kittel und forderte Diehl auf, seinen Kopf in den Nacken zu legen. Er leuchtete ihm in die Nasenlöcher. »Mmmh«, gab der Arzt von sich.
    »Ist es …«, Diehl unterbrach sich selbst, weil sich beim Reden ein Kloß in seinem Hals bildete. »Ist es das Marburg-Virus?«
    Dr. Mertins antwortete nicht gleich, sondern setzte seine Untersuchung fort. Als Nächstes hörte er die Lunge vom Rücken aus ab. Diehl musste dazu mehrmals tief ein- und ausatmen. »Wissen Sie«, setzte der Arzt schließlich an, »das erneute Auftauchen dieser Filoviren hat uns ziemlich schockiert. Darauf waren wir nicht vorbereitet.«
    »Na, Sie machen mir Mut«, sagte Diehl knapp.
    Dr. Mertins ging dazu über, Diehls Blutdruck zu messen. »Dabei sind diese Erreger absolut keine raffinierten Organismen. Ganz so wie die meisten anderen Viren ist der Marburg-Typus ganz einfach aufgebaut und besteht im Prinzip nur aus einem einzelnen Strang Erbmaterial. Das Virus hat keinen Stoffwechsel, bewegt sich nicht, ja, es ist genau genommen nicht einmal ein richtiges Lebewesen. Erst in den Zellen eines fremden Körpers kann es sein Todeswerk entfalten: Die Viren vermehren sich mit ungeheurem Tempo und befallen Nieren, Leber, schließlich den gesamten Blutkreislauf. Am Ende, wenn das Opfer im Sterben liegt, scheinen sich die Viren einen Weg ins Freie bahnen zu wollen. Sie stecken dann in allen Körperflüssigkeiten, im Blut genauso wie im Urin und den Tränen. Sogar der bloße Hautkontakt mit Infizierten kann zu diesem Zeitpunkt ausreichen, um die Krankheit zu übertragen.«
    »Dann sollten Sie besser Abstand von mir halten«, sagte Diehl.
    Dr. Mertins schüttelte kaum merklich den Kopf und begann nun damit, eine Spritze für die Blutabnahme vorzubereiten. »Für die Virologen bietet sich ja auch eine Chance«, setzte er seinen Exkurs fort, »denn die Krankheit birgt noch sehr viele Rätsel. Bis heute weiß niemand, woher das Marburg-Virus ursprünglich kam, weshalb es so plötzlich über seine Opfer hereinbrechen kann und wohin es sich danach wieder zurückzieht. Der letzte bekannt gewordene Fall stammt aus dem Jahr 1987: Ein 15-jähriger Bube aus Dänemark war während einer Kenia-Reise in eine Höhle geklettert, um nach Bergkristallen zu suchen. Wenige Tage danach starb er blutend und von Fieber geschüttelt. Die Höhle und alles Getier dort drin wurden untersucht. Aber die Versuche, das Nest der tückischen Viren ausfindig zu machen, scheiterten.«
    »Wie gut, dass Sie jetzt mich haben«, sagte Diehl mit Galgenhumor. »Ich stelle sicherlich ein ergiebiges Versuchskaninchen für Sie dar.«
    Dr. Mertins ging nicht darauf ein. Er suchte sich eine gut durchblutete Vene und stach die Kanüle in Diehls Arm. »Wir behalten Sie vorerst hier. Sie bekommen ein hübsches Zimmer auf der Quarantänestation.«
     
    Zu seiner ungemeinen Erleichterung verfügte sein Einzelzimmer über Telefonanschluss. Kaum hatte ihn die Krankenschwester, die ihn hergebracht hatte, allein gelassen, griff er zum Hörer und wählte die Nummer des Präsidiums.
    »Chef?«, meldete sich Harry und klang besorgt. »Hat man Sie krankgeschrieben?«
    »Das ist eine ziemlich harmlose Formulierung. Ich sitze hier vorerst fest. Einzelzelle,

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