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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Besteck in der Schüssel. Plötzlich fuhr er ohne Warnung herum, klemmte ihren linken Daumen zwischen die Schneidblätter und drückte zu.
    Helen bäumte sich unter den Fesseln auf. »Nein!«
    Sie sah sein angespanntes Gesicht. Die Backenknochen traten hervor, als er die Griffe zusammendrückte. Der Schmerz fuhr Helen durch den Arm bis ins Hirn. Dann schnappten die Schneideblätter zu, und etwas fiel auf den Boden.

    Der Schmerz war unerträglich. »Ich will Ihnen doch helfen!«, heulte sie.
    »Aber das tun Sie doch«, antwortete er liebevoll. Dann änderte sich der Ton seiner Stimme. »Entweder ich wachse daran, oder ich gehe dran zugrunde.«
    Helen fiel zurück auf die Werkbank. Sie drückte die Augen zu und presste die Zähne aufeinander. Es hatte keinen Sinn, mit ihm zu reden.
    Du musst durchhalten!
    Instinktiv ballte sie die linke Hand zur Faust, um die Blutung zu verringern. Ein lächerlicher Versuch, aber mehr konnte sie nicht unternehmen. Sie spürte, dass der Daumen fehlte.
    Deine Daumen sind dein kleinstes Problem! Er wird dich zuerst verstümmeln und dann töten! Halte durch! Gewinne Zeit!
    Helen versuchte, ruhig zu atmen. Aber das war leichter gesagt als getan. Ihr gesamter Körper war angespannt.
    »›Bauz! Da geht die Türe auf, und herein in schnellem Lauf. Springt der Schneider in die Stub, zu dem Daumen-Lutscher-Bub.‹«
    Er klemmte ihren anderen Daumen zwischen die Klingen. Helen zuckte nicht einmal zusammen. Nun würde er ihr den zweiten Finger abschneiden. Ihre Augen blieben geschlossen, sie atmete tief und ruhig.
    Halte durch!
    Carl drückte zu, als wollte er ihre Reaktion testen. Er senkte den Kopf zu ihr herab, sodass sie seinen Atem an der Wange spürte.
    »›Weh! Jetzt geht es klipp und klapp‹«, flüsterte er. »›Mit der Scher die Daumen ab. Mit der großen scharfen Scher! Hei, da schreit der Konrad sehr.‹«
    Aber Helen schrie nicht. All das hatte sie Frank zu verdanken! Ihr sauberer Ehemann musste ja unbedingt eine andere vögeln. Eine karrieregeile Verrückte, die einen misshandelten Jungen einer Crash-Therapie unterzogen und seine Neugier geweckt hatte, indem sie mit Brille und Perücke zu Helen gefahren war. Damit hatte die Verrückte Carl direkt zu ihrem Haus geführt.

    »Klipp und klapp«, sagte Carl.
    Sie zeigte keine Reaktion.
    »Wir haben Zeit.« Er nahm die Schere weg.
    Sie hörte, wie er einen Stuhl heranzog und sich zu ihr setzte. Während er mit einem Stein die Schneidblätter schliff, sprach er mit leiser Stimme, die nur durch das Dröhnen des Donners unterbrochen wurde.
    »Meine Eltern haben sich im Krankenhaus kennengelernt. Vater war Dom-Organist und spielte während einer Reise als Gast im Wiener Stephansdom.«
    Halt’s Maul! Das interessiert mich nicht! Doch Helen sagte kein Wort. So lange er redete, würde er ihr keine Schmerzen zufügen. Findet doch endlich diesen Dachboden! Ihre Gedanken schweiften ab. Carl erzählte weiter. Seine Stimme klang fern.
    »Hören Sie mir zu?« Er stieß sie an.
    Im Reflex öffnete sie für einen Moment die Augen, schloss sie aber sogleich wieder, um sein Gesicht nicht sehen zu müssen.
    »Im Wiener Stephansdom löste sich am Ende der Messe eine Marienstatue von der Wand, krachte auf die Orgel und brach Vater den Arm. Eine komplizierte Fraktur von Elle und Speiche. Meine Mutter war eine blutjunge Krankenschwester in der Ausbildung. Sie pflegte ihn, und so wurden sie ein Paar. Er ging nicht zurück in die DDR. Sie lebten in Wien. Zuerst kam die Schlampe zur Welt, fünf Jahre später ich.«
    Die Schleifgeräusche trieben Helen in den Wahnsinn.
    »Hätte die Marienstatue Vater nicht den Arm gebrochen, wäre alles anders gekommen. Ich wäre nicht hier – Sie wären nicht hier. Ist das nicht Ironie? Die Heilige Jungfrau Maria selbst hat ins Geschehen eingegriffen und alles in die Wege geleitet. Aber warum? Um mich ein Leben lang zu quälen?«
    Mit der Präzision des Wahnsinns schliff er die Klingen der Schere, bis sie blitzblank waren.
    »Vielleicht ist das alles ihr Plan? Sie war Jungfrau – natürlich billigte sie Fremdgehen nicht. Dr. Harmann hat mir die Augen geöffnet.
Hätte meine Mutter meinen Vater nicht betrogen, wären wir eine harmonische Familie gewesen. Aber sie musste ihn belügen und betrügen, wie all die anderen Frauen. Das Fremdgehen macht mich verrückt! Ich habe den Frauen nur das angetan, was Vater mir wegen meiner Mutter angetan hat.«
    »Sie können doch nicht alle Frauen bestrafen!«
    »Nur

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