Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
Nur dem Einsatz der Bewohner der Schubartstraße Nummer fünf war es zu verdanken, dass das Verbrechen in Bärlingen so effektiv und schlagkräftig bekämpft werden konnte. Aber die Rolle des Helfers im Hintergrund war schon immer ein undankbarer Job, dachte sich Frau Schäufele. Wenigstens über die junge Frau, seine Kollegin, die einige Zeit ganz regelmäßig im Haus war - die Frau Schäufele jetzt aber schon eine Weile nicht mehr gesehen hatte - hätte Georg ihnen heute noch etwas verraten können. In dieser Hinsicht war der Abend allerdings eine Enttäuschung.
Herr Ebert ließ es langsam angehen, denn er war in seiner Sehkraft tatsächlich stark eingeschränkt. Immer wieder bremste er seine langsame und vorsichtige Fahrt ab, weil er Hindernisse sah, wo keine existierten. Die Damen im Fond unterstützen ihn so gut es ging; Frau Helmle übernahm die Rolle des Navigationsgerätes und lotste ihren Nachbarn durch die Einbahnstraßen der Innenstadt.
„Machen Sie mal langsam, Herr Ebert.“ Frau Helmle hatte in einiger Entfernung einen Menschenauflauf bemerkt, der gestikulierend am Straßenrand stand. Frau Schäufele reckte den Kopf, um auch etwas zu sehen. „Die stehen alle vor der Musikschule. Was ist denn da los? Fahren Sie doch mal vorbei, Herr Ebert.“ Im Schritt-Tempo ließ der alte Herr den verbeulten Ascona an der Musikschule vorbeischleichen. Frau Schäufele saß auf der richtigen Seite und klärte ihre Mitfahrer auf. „Soweit ich es erkennen kann, stehen da die Gäste aus dem Venezia und regen sich darüber auf, dass jemand die Wand beschmiert hat. Ich konnte aber nicht erkennen, was da stand.“
Georg wurde hellhörig. „Anhalten, i ch bin Polizissst, ich übernehme den Fall.“ „Nichts da, Schorsch, jetzt ist Feierabend, den Schmierfink kannst du auch noch morgen jagen.“ Herr Ebert duldete keinen Widerspruch und um seine Worte zu bekräftigen gab er Gas. „Machen Sie langsam, Herr Ebert, Sie sehen doch nichts in der Nacht!“ Frau Helmle klammerte sich besorgt an die Kopfstütze des Fahrersitzes, wurde allerdings durch die nächste Vollbremsung, die einer Katze das Leben rettete, abrupt nach hinten in den Sitz gedrückt. „Jessas, Herr Ebert, Sie fahren ja direkt kriminell. Wenn das die Polizei wüsste!“
Georg hatte sich in sein Schicksal ergeben und wurde von der Müdigkeit übermannt. Die kurze Fahrt in die Schubartstraße zog sich durch die Schneckentempo-Fahrweise und die zahlreichen Unterbrechungen in die Länge und Georg gab den Kampf gegen den Schlaf auf. Sein Kopf sackte zur Seite und er kuschelte sich an die Schulter seiner Nachbarin. Frau Schäufele ließ ihn gewähren. Es war wohl alles ein wenig zu viel gewesen für den armen Jungen.
Die ruhige Fahrt durch die Nacht wurde noch unterbrochen durch das Klingeln von Georgs Handy, das er in die Ablage der Mittelkonsole gelegt hatte. Vorschriftsmäßig fuhr Herr Ebert rechts ran, bevor er das Gespräch annahm. Er besaß selbst kein Handy und drückte auf Verdacht irgendeine Taste, da er die Symbole auf den winzig kleinen Tasten sowieso nicht erkennen konnte. Zu seinen Begleiterinnen gewandt meinte er nur, dass er nur deshalb an das fremde Telefon gehe, weil es immerhin auch ein dienstliches Gespräch sein könnte. Er räusperte sich und sagte nur „Hallo“ in den Hörer. So hatte er es bei den Jugendlichen in der Straße gesehen. Das schien die Art und Weise zu sein, wie man sich heutzutage an einem mobilen Telefon meldete. Sein Gesprächspartner musste schließlich nicht gleich merken, dass er ein absoluter Kommunikationslaie war.
Sein Gegenüber wartete jedoch nicht lange ab, s ondern legte gleich los. „Weißt du eigentlich wie spät es ist, Kerle? Seit heute Abend um acht versuche ich dich zu erreichen und immer geht nur deine komische Mailbox dran. Sprichst du nicht mehr mit deiner Mutter? Was ist los, warum hast du dich denn nicht gemeldet? Ich habe mir richtig Sorgen gemacht. Ist alles in Ordnung bei dir? Soll ich kommen?“
Herr Ebert hatte nicht einmal die Spur einer Chance, den Redeschwall zu unterbrechen. Erst als Georgs Mutter Luft holen musste, kam er zu Wor t. „Gnädige Frau, hier spricht Ihr ehemaliger Nachbar, Ebert. Ihrem Sohn geht es gut, er kann nur gerade nicht ans Telefon kommen. - Nein, es ist alles in Ordnung. - Ganz bestimmt! - Ja, er wird sich ganz sicher morgen bei Ihnen melden. - Beruhigen Sie sich doch, ich gebe Ihnen mein Ehrenwort darauf. - Ja, so machen wir es. - Versprochen! - Das wünsche ich
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