Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
für positive Schlagzeilen sorgen. Wellenstein - der Wohltäter der Musik. Oder: Wellenstein - der Jahrhundertdirigent. Irgendetwas in der Richtung, vielleicht mit einer Home-Story vom Regionalfernsehen. Ein sehr guter Freund von mir arbeitet dort. Mit Sandro kann ich da bestimmt was deichseln.“
Jetzt hatte sein Assistent den richtigen Ton getroffen, der alte Mann entspannte sich merklich. „Ja, das ist eine prima Idee, gute PR vor dem Konzert und dann ein grandioser Auftritt mit der Bärlinger Kantorei. Gut, dann wäre das auch geklärt. Nachher muss ich noch dringend mit den Amerikanern telefonieren, die wollen mich unbedingt. Wenn das hier vorbei ist, schreibe ich Ihnen ein gutes Empfehlungsschreiben, damit werden sich Ihnen alle Türen öffnen. Sie werden sehen, die Zeit als Wellensteins Assistent soll nicht zu Ihrem Nachteil gewesen sein.“
Ronny Pirchow lächelte. „Es war immer mein großer Traum, mit Ihnen zu arbeiten. In dieser Zeit habe ich so viel gelernt, nicht nur musikalisch. Um die PR-Offensive werde ich mich gleich heute noch kümmern.“ Der junge Mann sah auf die Uhr. „Gibt es sonst noch etwas, das ich für Sie tun kann? Für morgen ist ja alles klar. Ich bin auf alle Fälle rechtzeitig vor Ort, falls noch etwas sein sollte.“
Wellenstein nickte, er wusste, dass er sich hundertprozentig auf seinen Assistenten verlassen konnte. Er hatte zwar schon viele Mitarbeiter gehabt, aber mit Pirchow war es ein besonders angenehmes Arbeiten. So sehr Wellenstein manchmal das Gefühl hatte, der junge Mann sei sehr anhänglich, so selbstständig und umsichtig schaffte er es, auch schwierige Situationen zu meistern. Bei Pirchow waren die Vorbereitungen für das große Jubiläumskonzert in den allerbesten Händen. Wellenstein nahm sich vor, dafür zu sorgen, dass der Junge eine gute Anschlussstelle bekam, wenn er seine Dienste nicht mehr benötigte.
„Meine Frau und ich werden morgen erst um kurz vor sieben kommen, wir wollen schließlich nicht die ersten sein. Und jetzt packen Sie schon ein, Sie scheinen es eilig zu haben.“
„Danke, ich will nur noch zum Frisör wegen morgen. Ist ja leider auch nicht mehr alles Natur bei mir und da gehe ich lieber alle drei Wochen zum Nachfärben. Jetzt muss ich aber auch wirklich los, der Salon König hat nämlich am Samstag nur bis mittags auf.“
- 6 -
Samstagmorgen / Balkonspion
Selten hatte Georg Haller seine Mutter so aufgeregt erlebt. Als sie ihn heute Morgen anrief, merkte er gleich an ihrer Stimme, dass irgendetwas nicht stimmte. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er sich gestern nicht auf ihre zahllosen Anrufe gemeldet hatte und redete sich mit wichtigen Ermittlungsarbeiten heraus. Dass Herr Ebert den letzten Anruf seiner Mutter gegen halb zwölf entgegengenommen haben soll, brachte Georg dann aber doch in Erklärungsnot. Dafür fiel ihm auf die Schnelle keine plausible Ausrede ein. Was hätte er seiner Mutter auch sagen sollen? Dass er einen Abend des Schreckens hinter sich hatte, den er nur mit Hilfe des Gratis-Grappas hatte ertragen können? Hätte er ihr - der Musikliebhaberin und ehemaligen Wellenstein-Chorsängerin - gestehen sollen, dass er sich in die Niederungen eines Felice-Gesangsabends herabgelassen hatte, teils aus Verpflichtung, teils aus Neugierde, um zu erfahren, worüber halb Bärlingen sprach? Nein, das war unmöglich. Das hätte seine Mutter bestimmt nicht verstanden. Außerdem hätte er ihr dann auch die Geschichte mit dem Opel erzählen müssen. Er hatte ihren geliebten grünen Ascona ordentlich verbeult, soweit erinnerte er sich noch an den Ausgang des gestrigen Abends. Nein, Mutti durfte das auf gar keinen Fall erfahren. Deshalb riss sich Georg auch zusammen, um seine Mutter die alkoholischen Nachwirkungen nicht spüren zu lassen. Wenn er sich in seiner Wohnung umsah, glaubte er, immer noch nicht ganz nüchtern zu sein. Georg hätte schwören können, dass er sie gestern nicht so aufgeräumt verlassen hatte. Allerdings ließ seine Mutter ihm keine Zeit, weiter über dieses unerklärliche Phänomen nachzudenken.
„Schorsch, stell dir vor, mei ne Nachbarin, die Mutter von Wellenstein, ist heute Nacht gestorben.“ Geschichten aus dem Altersheim, zumal so morbide, waren nicht die Art von Unterhaltung, auf die der Hauptkommissar am Morgen besonders erpicht war. Er hatte noch nicht einmal gefrühstückt. Seit seine Mutter im Gertrudenstift lebte, nahm sie regen Anteil am Leben und auch am Ableben ihrer Mitbewohner. Sie
Weitere Kostenlose Bücher