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Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)

Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)

Titel: Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wierlemann
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der Anfang. Meine Stimme erhebt sich und wird lauter. Hört her und ihr werdet verstehen, was ich euch zu sagen habe. Ihr werdet euch wundern, wenn ich euch die Augen öffne. Dann erst werdet ihr sehen, was ich schon weiß. Ich bin noch lange nicht fertig, ihr werdet noch staunen. Und dann wird euch das Blut in den Adern gefrieren.
     
    Viel zu lange habe ich geschwiegen. Doch jetzt ist die Zeit gekommen, die Zeit der Abrechnung. Ich kann nichts verlieren, denn wer nichts besitzt, dem kann nichts genommen werden. Das Schicksal hat mich Demut gelehrt. Zu oft bin ich im Staub gekrochen, habe mir gewünscht, beachtet und geliebt zu werden. Doch niemand kam, der mir seine helfende Hand gereicht hätte. Allein war ich auf mich gestellt, allein bin ich aufgestanden, allein habe ich den Dreck von meinen Kleidern gewischt und jetzt brauche ich niemanden mehr.
     
    Was ich tun muss, tue ich für all jene, die in den Staub getreten wurden, für die Zukurzgekommenen, die Missachteten und die Verspotteten. Ich werde sie aus ihrer Verzweiflung retten; meine Tat wird ihnen Trost geben. Auch die Kunst werde ich retten vor der Befleckung, sie soll rein bleiben.
     
    Die Zeit der Trauer ist vorbei, jetzt bin ich der Rache-Engel, der durch die Straßen zieht. Es gibt noch so viele, die Schuld auf sich geladen haben. Ich werde sie alle reinwaschen. Die Todesfuge erhebt ihre Stimme, die erste Stimme lässt mich die Melodie hören. Das Motiv des Todes wird sich wie ein Band durch die Stadt weben, diese Musik wird anschwellen bis sie jeder hört.
    Die Todesfuge wird nach einer zweiten Stimme verlangen. Es wird der Chor der Sünder sein, die auf Knien ihr „Miserere“ singen. Durch mich werden sie Erlösung finden und mein Schmerz wird sich durch ihren Todeskampf lindern.
     
    Ausgelöscht soll er werden!
     
    Ausgelöscht, alles was ihn nährt. Auch ich werde gerettet.

- 4 -
    Freitagnacht / Heiligsblechle
     
    „Schorsch, wo hast du denn die Autoschlüssel?“ Frau Schäufele und Frau Helmle hatten sich wieder bei ihm eingehakt und Herr Ebert ging flotten Schrittes voran, drehte sich aber fragend zu seinen Begleitern um. Georg war dankbar für die Unterstützung durch seine rüstigen Nachbarinnen, denn allein wäre er ziemlich ins Wanken geraten. Der sizilianische Grappa hatte ihm ganz schön die Lichter ausgeblasen, doch er bemühte sich um Haltung. „Der Schlüsssel isss in meiner Tasche, null Problemo.“ Wie zur Bestätigung klopfte der Hauptkommissar gegen die Brusttasche seiner Jacke und wandte sich den Damen an seiner Seite zu. „Wissst ihr, dasss war seit langem der schönssste Abend in meinem Leben. Dasss machen wir jetzt öfter!“
    Die älteren Damen lachten ein wenig verlegen und sahen zu, dass sie ihren Chauffeur in Richtung Auto bugsierten. Mittlerweile stand der alte Ascona allein auf dem Marktplatz, alle anderen Parkbuchten waren leer. „Es ist ganz schön spät geworden, meine Damen. Ich denke, wir sollten Schorsch nicht mehr fahren lassen.“ Am Auto angekommen, wollte Herr Ebert dem mit dem Gleichgewicht kämpfenden Georg die Autoschlüssel abnehmen. „Kommt gar nicht in Fffrage, ich fffahre selbst.“ Herr Ebert zog nur die Augenbrauen hoch, mit diesem Widerstand hatte er nicht gerechnet.
    „Schorsch, du hast vielleicht doch ein Gläschen zu viel von dem italienischen Schnaps getrunken.“ Frau Helmle hatte Georg die Hand auf den Arm gelegt und hoffte, dass sie ihn überzeugen konnte. „Null, Problemo, Frau Helme, echt. Ich bin schließlich Polizissst, ich weiß genau, wann esss zu viel ist. Ich fahre. Steigt ein oder lauft nach Hause!“
    Georg hatte es nach mehreren Versuchen schließlich geschafft, das Auto aufzuschließen und hatte sich hinters Steuer gesetzt. Die Senioren aus der Schubartstraße berieten sich kurz . Schnell war ihnen klar, dass sie gar keine andere Chance hatten, nach Hause zu kommen, als auf ein Wunder zu hoffen und darauf zu vertrauen, dass alles gut gehen würde. Frau Schäufele sah die ganze Sache sehr pragmatisch. „Um die Uhrzeit bekommen wir kein Taxi mehr. Ich denke, wir können es wagen, schließlich ist doch so gut wie kein Verkehr, das wird Schorsch schon schaffen.“ „Ich würde ja laufen, aber das Ernschdle ist nicht mehr so gut zu Fuß. Er ist schon ein wenig in die Jahre gekommen, der alte Kerl.“ Wie zur Bekräftigung der Worte seines Frauchens legte sich der dicke Mops zu ihren Füßen und jaulte herzzerreißend. Herr Ebert nickte und hielt den Frauen die Tür auf.

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