Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
Stadt die goldene Ehrennadel der Bürgerschaft verliehen bekommen soll, taucht diese Parole auf. Das ist doch kein Zufall!“
Wellensteins Assistent versuchte , seinen Chef zu beschwichtigen. „Sie sollten das nicht persönlich nehmen. Das ist bestimmt nur ein Dummejungenstreich.“
„Wir sollten darüber nachdenken, ob wir den Termin morgen nicht absagen. Ein Ausweichquartier gibt es ja zur Zeit nicht. Soweit ich weiß, wird die Stadthalle immer noch renoviert.“
„Das käme allerdings einer Kapitulation gleich, Herr Wellenstein. Das werden Sie nicht ernsthaft in Erwägung ziehen. Außerdem wäre eine Absage ein schlechtes Zeichen. Denken Sie auch an die ganze Polit-Prominenz, die Sie vor den Kopf stoßen würden.“
„Und dass die beschmierte Musikschule nach mir benannt werden soll, das wäre kein schlechtes Zeichen? Wellenstein-Musikschule: Hochmut kommt vor dem Fall . Nein, das geht auf gar keinen Fall, Pirchow!“
Wellenstein hatte die Arme vor der Brust verschränkt und musste zugeben, dass sein Gegenüber ihn ziemlich verärgert hatte. Er wusste zwar, dass sein Assistent am wenigsten dafür konnte und in dieser verfahrenen Situation die undankbare Rolle des Beraters spielen musste, der den Karren wieder aus dem Dreck ziehen sollte, trotzdem hatte er sich über den jungen Mann geärgert. „Sie kennen die Leute hier nicht, es fehlt Ihnen auch an der nötigen Lebenserfahrung. Aber ich sage Ihnen, dass dieser Spruch einen großen Schaden angerichtet hat. Und kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit irgendwelchen Klugscheißer-Sprüchen, die kann ich im Augenblick wirklich nicht ertragen.“
Ronny Pirchow lehnte sich zurück. Sein Chef war tatsächlich getroffen. Der große Wellenstein hatte Schlagseite bekommen. Er war erstaunt, wie schnell die Fassade der Selbstsicherheit bröckelte und wie wenig es bedurfte, um den Künstler aus dem Tritt zu bringen. „Wir sollten die Sache vielleicht einfach ein wenig ruhen lassen. Ändern können wir sowieso nichts mehr daran.“
„So einfach ist das für Sie? Wissen Sie überhaupt, welche Bedeutung die Verleihung der goldenen Ehrennadel für mich hat? Nein, wie sollten Sie auch! Sie müssen sich auf Ihrem Posten keine Gedanken darüber machen, wie die Menschen Sie beurteilen. Sie sind nur ein kleines Rädchen im Getriebe der Musik. Wellenstein dagegen ist ein großer Name, eine Marke. Ich dulde nicht, dass sie durch den Schmutz gezogen wird! Was also schlagen Sie vor, unternehmen wir gegen diesen Rufmord? Und jetzt will ich ernsthafte Maßnahmen hören, keine lauen Sprüche, dass ich doch über der Sache stehen solle oder so ähnlich. Los, jetzt können Sie mal zeigen, was Sie drauf haben.“
Ronny Pirchow wusste, dass sein Chef noch einmal würde schlucken müssen, wenn er ihm die Pressemappe vorlegte. Aber da musste er durch. Schließlich war das nicht die Schmutz-Kampagne eines Billig-Blättchens, sondern der Artikel einer seriösen Presseagentur. In verschiedenen Tageszeitungen hatte er die Meldungen über Wellensteins dubiose Konzert-Finanzierungen gefunden. Keine Frage, warum die alten Vorwürfe der Vetternwirtschaft jetzt erneut ins mediale Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurden. Jetzt ging es darum, die Deutungshoheit über ein Lebenswerk für sich zu reklamieren. Der allgegenwärtigen Beweihräucherung des großen Dirigenten schien jemand eine andere Sichtweise gegenüberstellen zu wollen. Pirchows Aufgabe war es jetzt, dem Maestro behutsam das Bild zu skizzieren, das die Öffentlichkeit sich gerade von ihm zu machen begann.
„Das anonyme Graffiti ist zwar keine schöne Sache, sollte Sie aber persönlich nicht zu sehr beschäftigen. Viel wichtiger scheint es mir, Ihren überregionalen Ruf nicht zu gefährden.“ Damit schob der Assistent die Mappe mit den Zeitungsausschnitten über den Schreibtisch. Er hatte die zentralen Stellen, in denen Wellenstein direkt angegriffen wurde, mit Leuchtstift markiert. Wellenstein überflog die Artikel und polterte los. „Frechheit, finden Sie sofort heraus, wer diese Verleumdungen fabriziert hat, dem werde ich eine Klage an den Hals hängen, die sich gewaschen hat.“
„Solange sich die Journalisten an die Fakten halten und das haben sie nach meiner Kenntnislage durchaus, haben wir keine rechtliche Handhabe. Wir sollten offensiv mit den Vorwürfen umgehen.“
„Soll ich diese Artikel etwa auf mir sitzen lassen? Wenn ich mich nicht äußere, dann bin ich doch schon so gut wie erledigt.“
„Wir müssen einfach
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