Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
konnte er sich meist nach kurzer Zeit wieder über positive Meldungen in den Medien freuen. Über etwaige Finanzierungskatastrophen und Fehlkalkulationen wuchs schnell das Gras des Vergessens und Wellenstein konnte das tun, was er meisterlich verstand; am Ruhm seiner eigenen Marke feilen.
Esther hörte , wie ihr Mann seine Sachen im Flur ablegte und das Schließen der Glastür verriet ihr, dass er jetzt im Wohnbereich angekommen war. Sie wartete noch einen Augenblick ab, ob er vielleicht zu ihr in die Küche käme, ging dann aber selbst nach draußen. Ihr Mann hatte sich gerade ein Weinglas aus der Vitrine geholt und wollte direkt in die Bibliothek verschwinden. Offensichtlich hatte er nicht das Bedürfnis, mit seiner Frau zu sprechen. Esther räusperte sich. Sie hatte den ganzen Tag nicht viel gesprochen, mit ihrem Mann überhaupt noch nicht. „Wie war es bei der Polizei? Gibt es was Neues?“
Wellenstein schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. Das Gespräch mit dem Hauptkom missar ging ihm immer noch nach. Er konnte es einfach nicht glauben, was der ihm erzählt hatte. Er wollte sich jetzt zurückziehen und die ganze Angelegenheit mit seinem Bruder besprechen; dieser wusste noch nicht Bescheid und er hatte dem Hauptkommissar versprochen, Ansgar zu informieren.
Wellenstein drehte sich um. In der Tür zur Küche stand seine Frau, die Schürze umgebunden, die Stirn in sorgenvolle Falten gelegt. Ihre Fragerei war ihm lästig, er wollte nicht alles noch einmal erzählen. Es reichte doch, wenn er Ansgar gleich Rede und Antwort stehen musste. Außerdem, was ging seine Frau das alles an? Es war schließlich seine Mutter, über die der Hauptkommissar mit ihm gesprochen hatte, als sei sie nur ein Fall unter tausenden. Esther wartete immer noch auf eine Antwort ihres Mannes. „Hans-Peter? Ist alles in Ordnung mit dir?“ Wellenstein schüttelte den Kopf. „Nichts ist in Ordnung. Mutter ist ermordet worden, sagt der Hauptkommissar. Und weil ich die letzte Person bin, die sie offiziell gesehen hat, bin ich der Hauptverdächtige.“ Esther schlug die Hände vors Gesicht. „Das ist ja schrecklich. Du Ärmster! Und ich habe dich noch zu ihr geschickt mit dem Strauß. Wie soll es denn jetzt weitergehen?“
Was wusste den n er, wie es weitergehen sollte. Das war schließlich das erste Mal, dass ihm ein Polizist recht unverblümt zu verstehen gegeben hatte, dass er ganz oben auf der Liste der Tatverdächtigen stehe und dass er nur auf freiem Fuß bleiben könne, weil keine konkreten Beweise vorlägen und wegen des bevorstehenden Konzerts auch keine Fluchtgefahr bestünde. Na bravo! Was Wellenstein als Höhepunkt seiner Karriere geplant hatte, mauserte sich gerade zu einem veritablen Alptraum.
„Warte, ich wasche mir nur schnell die Hände und dann bin in ganz für dich da. Du brauchst jetzt bestimmt jemanden zum Reden.“
Merkte diese Frau nicht, dass sie ihn störte? Schon die Art , wie sie in der Küchentür stand und ihn ausfragte war ihm zuwider. Sollte sie sich doch mit ihrem Kuchenteig beschäftigen, davon verstand sie wenigstens etwas. Seit Tagen schien es sowieso nichts Wichtigeres zu geben als die Planung des Geburtstagsbüfetts. Ständig wollte sie wissen, ob ihm ihre Vorschläge auch recht seien. Dabei hatte er ihr bei der Auswahl der Speisen und Getränke absolut freie Hand gelassen. Er wollte am liebsten mit der Sache nicht mehr zu tun haben, als in drei Tagen die Gäste zu begrüßen und die Gratulationen entgegenzunehmen.
„Lass nur . Ich brauche ein wenig Zeit zum Nachdenken und außerdem muss ich Ansgar noch informieren. Warte nicht mit dem Abendessen auf mich, es kann später werden.“
Enttäuscht schaute Esther ihrem Mann nach, der in die Bibliothek ging. Auf Zehenspitzen schlich sie ihm nach und legte ein Ohr an die Tür. Vielleicht konnte sie erfahren, was es mit dem Tod ihrer Schwiegermutter auf sich hatte, wenn sie das Gespräch mit Ansgar belauschte.
Als erstes entkorkte Wellenstein die Weinflasche, die noch auf seinem Schreibtisch stand. Er wusste, dass er zu viel trank, besonders, wenn er emotional aufgewühlt war. Der dunkelrote Wein perlte ins Glas und Wellenstein nahm einen ersten großen Schluck. Das war ein bewährtes Rezept. Der Wein brachte ihn wieder ins Gleichgewicht und nach dem ersten Glas konnte er den Tropfen auch genießen. Wellenstein lehnte sich in seinem schweren Schreibtischsessel zurück und schloss die Augen. Mutter war tot, ermordet. Der Hauptkommissar hatte
Weitere Kostenlose Bücher