Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
lange aufgehalten. Sag mal, hast du schon herausgefunden, wer hinter dem Anschlag auf die Wellensteins steckt? Frau Helmle hat mir heute Morgen von dem schrecklichen Attentat berichtet.“
Der Hauptkommissar war es mittlerweile gewohnt, dass es keine Neuigkeit in Bärlingen gab, die nicht binnen weniger Stunden auch in seinem Haus kursierte. Die Schubartstraße Nummer fünf kam ihm oft wie die Nachrichtenzentrale der Stadt schlechthin vor, die Drehschreibe, wenn es um die Verbreitung von Informationen und Gerüchten ging. Nirgendwo sonst konnte man sich schneller und umfassender darüber informieren, was gerade los war in der Kleinstadt. Insofern wunderte Georg sich schon fast, dass man ihn tatsächlich noch nach Ermittlungsergebnissen fragte und dass man ihn nicht einfach darüber aufklärte, was an diesem Abend wirklich bei Wellenstein geschah.
„Ich kann Ihnen leider nichts sagen. Denn erstens warten wir noch auf die Untersuchungsergebnisse und zweitens, Sie wissen schon, dürfte ich über diese Dinge sowieso nicht sprechen. Soviel steht aber fest und damit verrate ich auch kein Geheimnis: Nachdem der Wagen von Frau Wellenstein immer im Carport der Villa steht und auch gestern dort geparkt war, können wir mit aller Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Anschlag ihr und nicht ihrem Mann galt. Allerdings macht das die Sache nicht leichter, denn jeder könnte den Wagen manipuliert haben, da der Carport nicht abgeschlossen ist.“
„ Ich sehe, Georg, da liegt noch viel Arbeit vor dir. Ich will dich nicht länger aufhalten, bestimmt hast du noch zu arbeiten. Falls du Hilfe brauchen solltest, kannst du dich jederzeit an mich wenden, zu jeder Tages- und Nachtzeit - ich kann nicht nur Autos reparieren.“ Georg verabschiedete sich von Herrn Ebert und ging hoch in seine Wohnung.
Was war das f ür ein Tag! Erst hatte ihm Wellenstein die Drohbriefe vorgelegt und ihm auch für die gestrige Tat in seinem unmittelbaren Umfeld ein glaubwürdiges Alibi präsentiert, dann hatte er weitere Erkundigungen im Umfeld des Pizzeria-Wirts Adriano Felice angestellt und gerade hatte er noch sein persönliches James-Bond-Abenteuer erlebt. Allerdings mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass ihm sein Q doch tatsächlich angeboten hatte, ihm bei der Arbeit zur Hand zu gehen. Georg zog sich die Schuhe aus, holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich vor den Fernseher. In letzter Zeit verhielten sich seine Oldies aus dem Haus allesamt etwas merkwürdig. Nachdem sie anfangs, als seine Mutter frisch ausgezogen war, versuchten, ihn zu bemuttern und über den „Verlust“ hinwegzutrösten, schienen jetzt alle ganz versessen darauf zu sein, sich in seine Polizeiarbeit einzumischen. Zugegeben, dass Frau Helmle das Notizbuch von Adriano Felice hatte mitgehen lassen, war sicher nicht richtig gewesen, aber es hatte ihm viele nützliche Kontakte vermittelt und er hoffte, dass er mit diesen Insider-Kenntnissen eine heiße Spur finden und dem Wirt endlich seine krummen Geschäfte nachweisen konnte. Dankenswerterweise hatte Frau Helmle es auch übernommen, das entwendete Buch seinem Besitzer inzwischen wieder zukommen zu lassen. Am liebsten wollte Georg gar nicht wissen, wie sie das angestellt hatte, aber er fürchtete schon, dass diese Geschichte ihn in absehbarer Zeit einmal die zügige Treppenhaus-Passage kosten würde. Aber diesen Gedanken verdrängte er schnell wieder.
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Donnerstagabend / Drohbriefe
Gerda hatte ihren Mann gebeten, sich zu ihr an den Küchentisch zu setzen. Sie schaute ihn erwartungsvoll an und versuchte, seine Meinung in seinem Gesicht abzulesen. Otto ließ sich Zeit.
Ob er ihr wegen der Briefe böse war? Schließli ch war sie es, die immer wieder, wenn sie beide auf ihren Mut angesprochen wurden, betonte, dass ihre kriminalistische Karriere nach dem Fall „Merz“ ein für alle Mal beendet sei. Gerda hatte Wellensteins Briefe vor Otto auf dem Küchentisch ausgebreitet und ihren Mann um seine Meinung gebeten. Vielleicht war es wirklich nicht klug gewesen, sich in die Sache hineinziehen zu lassen, überlegte sie. Auf der anderen Seite, was war schon dabei, sich die Briefe ein wenig genauer anzusehen? Sie hatte sich schließlich zu nichts Weiterem verpflichtet.
Otto schwieg noch immer. Gerda wurde langsam unruhig und glaubte schon, sich für ihre Entscheidung rechtfertigen zu müssen. „Weißt du, Liebling, Wellenstein war so verzweifelt, dass er nach jedem Strohhalm griff, der sich ihm bot.
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