Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
sehr besorgt um das seelische Gleichgewicht seiner Frau und kümmerte sich so rührend um sie, dass sie ihn schon lachend darauf hinweisen musste, dass sie nicht das Opfer sondern die heldenhafte Retterin sei. Ihrem Mann war das egal. Er wusste, was Gerda geleistet hatte und auch, welche Nerven sie dieser Einsatz gekostet haben musste, ohne dass sie das richtig zugeben wollte. Um seine Frau zu verwöhnen, hatte Otto sich für sie beide ein en Wellnesstag der besonderen Art ausgedacht. Morgens hatte er Gerda mit einem frisch gepressten Orangensaft geweckt und sie noch im Bett mit einer ausgiebigen Rückenmassage verwöhnt. Gerda hätte zwar lieber zuerst geduscht und dann einen Kaffee in der Küche getrunken, aber als sie Otto tatbereit und voller guter Vorsätze vor ihrem Bett stehen sah, hatte sie ihn gewähren lassen und die Aufmerksamkeit sogar genießen können.
Während des Frühstücks hatte ihr Mann schließlich den weiteren Tagesablauf, der die Erinnerung an ihren Polizei-Einsatz tilgen sollte, verkündet. Als erstes würden sie zusammen einen Einkaufsbummel machen, mit Sekt und Häppchen am Mittag und nachmittags dann im Thermalbad entspannen. Die Abendgestaltung überließ er Gerda, schlug aber entweder einen gemütlichen Fernsehabend vor oder bot an, für Gerda und ihre Freundinnen zu kochen. Gerda war gerührt von der Fürsorge ihres Mannes, hatte aber das Gefühl, dass Otto die Sache übertrieb. Sie hatte seine Vorschläge ausreichend gewürdigt, ihm dann aber schonend beigebracht, dass ihr ein Vormittag im Sessel mit einem guten Buch lieber sei als das Pflastertreten während einer Shoppingtour. Den Sekt könnten sie schließlich auch zu Hause trinken und anschließend ein schönes Mittagsschläfchen halten. Den Thermalbadbesuch fand Gerda allerdings großartig und so verbrachten sie und Otto einen entspannten Nachmittag in der Therme, bevor sie den Abend mit einem alten Agatha-Christie-Film vor dem Fernseher ausklingen ließen.
Nach dem Ruhetag schienen die Kunden im Salon König förmlich auf Neuigkeiten von der Chefin zu brennen. Gerda hatte das Gefühl, dass sie keine einzige Kundin in Ruhe bedienen konnte. Ständig wurde sie unterbrochen von Neugierigen, die sich von hinten an sie heranschlichen und nur ganz nebenbei erfahren wollten, ob es denn stimme, was man sich so erzähle. Gerda war bereits am Dienstagabend so genervt, dass sie tatsächlich darüber nachdachte, einfach ein paar Tage blau zu machen, wie ihr Otto geraten hatte. Aber zur Zeit hatten sie einen personellen Engpass im Salon, weil eine Mitarbeiterin in Mutterschutz gegangen war. Gerda wusste, dass sie jetzt nicht auch noch ausfallen durfte, wenn sie nicht wollte, dass alle anderen im Salon das ausbaden mussten. Und so hangelte sie sich von Tag zu Tag und war froh, dass heute am Freitag das Wochenende schon zum Greifen nah war.
Einerseits war Gerda die Gerüchte leid, die man ihr zutrug, andererseits fand sie es auch lustig, was man ihr inzwischen alles andichtete. In der Vorstellung der Bärlinger war Gerda tatsächlich schon so etwas wie eine Geheimagentin in gefährlicher Mission geworden. Was den Leuten nur für Ideen kamen! Mit der Wahrheit jedenfalls hatten all diese Räuberpistolen nichts zu tun und keine ihrer neugierigen Kundinnen hätte sich auch nur im Ansatz vorstellen können, welche Angst Gerda am Samstag ausgestanden hatte.
Sie wusste, dass es zwecklos war, gegen die Gerüchte vorzugehen. Die Leute glaubten sowieso was sie wollten. Und je spektakulärer die Geschichte war, umso besser. Die Friseurin ließ ihre Kundinnen deshalb im Unklaren über die genauen Vorkommnisse während des Probenwochenendes und entschuldigte ihre Verschwiegenheit damit, dass die Ermittlungen der Poliz ei noch nicht abgeschlossen wären und sie zu Stillschweigen verpflichtet worden sei.
Als eine der letzten Kundinnen an diesem Tag setzte sich Ansgar Wellensteins Frau auf den Frisierstuhl bei Gerda. Die Apotheker-Gattin kam gewöhnlich alle vier Wochen am Samstag zum Haarefärben. Ihren letzten Termin hatte sie allerdings ihrem Mann überlassen und so kam sie heute außerplanmäßig, um sich in einem der Separees den Ansatz nachkolorieren zu lassen. Eigentlich glaubte Gerda sich gerade bei dieser Kundin vor Nachfragen zu dem Attentat auf den Dirigenten sicher. Doch da hatte sie sich getäuscht.
„Natürlich haben wir auch von den Gerüchten gehört und da haben wir bei meinem Schwager nachgefragt. Aber stellen Sie sich vor, Frau König,
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