Todesgarten
ansteuerte, klingelte ihr Handy. Es war
Lohmann.
»Bist du schon zu Hause?«, fragte er.
»Nein, ich bin noch unterwegs. Was ist mit euch? Ich
denke, ihr wolltet Feierabend machen.«
»Das tun wir auch gerade. Dabei ist mir eingefallen,
dass heute jemand für dich angerufen hat. Das wollte ich unbedingt noch
loswerden, bevor ich es wieder vergesse. Es war eine Frau vom Jugendamt. Es
geht um den Bruder von Daniel Treczok, du weiÃt schon. Sie hat den Vorgang
herausgesucht und wollte dir Bescheid geben.«
»Und? Gibt es diesen Bruder noch?«
»Keine Ahnung, das konnte sie mir auch nicht sagen.
Aber sie weiÃ, wohin er damals vermittelt wurde. Er war anfangs in einem
Kinderheim. Daniel war da schon in seiner Pflegefamilie. Michael ist ein paar
Monate später vermittelt worden, zu einer alleinerziehenden Mutter. Wo er heute
ist, das wusste die Frau vom Jugendamt allerdings auch nicht.«
»Und wie heiÃt diese Pflegemutter?«
»Magdalene Schöne. Sie wohnt nicht mehr in Berlin,
sondern auf dem Land in der Nähe von Kassel. Vielleicht lebt der Bruder ja auch
da.«
Kathrin war völlig perplex. Konnte das ein Zufall
sein?
»Kathrin? Bist du noch dran?«
Lohmann hatte nichts bemerkt! Es war kaum zu glauben.
Wie begriffsstutzig durfte man sein, wenn man bei der Polizei arbeitete?
»Ich bin noch dran«, sagte sie.
»Die Frau hat ihre Nummer hinterlassen, falls du noch
Fragen hast. Ich leg sie dir auf den Schreibtisch. So. Dann mach ich mal
Feierabend.«
»Mach das. Wir sehen uns morgen.«
Kathrin atmete tief durch. Die kühle Nachtluft
schmeckte nach Regen. Plötzlich wollte sie nicht mehr nach Hause. Ganz im
Gegenteil. Sie lieà die U -Bahn hinter sich und ging
die StraÃe hinauf zur Wohnung von Christoph Schütz. Wahrscheinlich war der gar
nicht da, aber sie konnte mit diesem Wissen nicht einfach nach Hause fahren und
sich ins Bett legen. Dafür war sie viel zu aufgekratzt.
Und siehe da: In der Wohnung brannte Licht. Sie überlegte,
Wolfgang anzurufen und ihm zu sagen, er solle umdrehen und herkommen. In diesem
Moment trat eine Gestalt ans Fenster. Kathrin tauchte sofort in den Schatten
eines Hauseingangs ab.
Auf einmal war alles klar. Sie wusste, wer in der Pension
eingebrochen und sich bei Bärbel Neubauer als Wolfgang Herzberger ausgegeben
hatte. Es lag alles auf der Hand. Dort oben im Fenster stand Michael Schöne.
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Unter ihm die ausgestorbene StraÃe. Nirgends war
jemand zu sehen. Nur eine Katze, die auf der anderen StraÃenseite durch den
Laternenschein huschte und kurz darauf in einer Garageneinfahrt verschwand. Von
seinem Platz am Fenster aus wirkte es, als läge die Stadt im tiefen Schlaf.
Aber das war natürlich Unsinn. Durch das offene Fenster hörte Michael das
allgegenwärtige Grollen des Stadtverkehrs.
Er wandte sich vom Fenster ab. Christoph Schütz war
nach nebenan in die Küche gegangen, um Wasser aufzusetzen. Er war der Ansicht,
sie könnten einen starken Kaffee brauchen. Michael hatte immer noch nicht
erfahren, weshalb er ihn so dringend sprechen wollte.
Nachdem Christoph Schütz sich vor dem Kink Klub in
sein Auto gesetzt und ihn gebeten hatte, mit zu ihm zu kommen, war Michael
kurzerhand in den Klub gegangen, um nach Anna zu sehen.
In den überfüllten Räumen war von ihr keine Spur gewesen.
Allerdings hatte er Tom hinterm Tresen entdeckt, der völlig weggetreten wirkte,
während sich um ihn herum Menschen drängten und versuchten, Bestellungen
aufzugeben. Seine Kollegin stieà ihn verärgert in die Seite. Er nickte
orientierungslos und wandte sich dann den Gästen zu. Doch seine Bewegungen
waren fahrig, immer wieder stieà er Flaschen und Gläser um.
Auf Michael wirkte es, als stünde er unter Schock. Es
schnürte ihm die Kehle zu. Anna. Was, wenn ihr etwas zugestoÃen war? Das würde
er sich nie verzeihen. Er drängte sich durch die Menge, hielt überall Ausschau
nach ihr. Gerade wollte er zum Tresen zurück, um sich Tom vorzunehmen, da tauchte
Anna neben den Toiletten auf. Sie lehnte an der Wand und blickte starr zu
Boden. Michael atmete auf. Ihr war nichts geschehen. Er arbeitete sich zu ihr
vor.
»Warum haben Sie sich nicht gemeldet? Ich habe mir
Sorgen gemacht.«
Sie hob den Kopf. Ihr Blick war ausdruckslos.
»Er ist es nicht gewesen. Tom hat nichts mit der Tat
zu tun.«
Sie drückte sich an ihm vorbei und ging zur
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