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Todesgarten

Todesgarten

Titel: Todesgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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vorbeizuschauen. Die machen um acht
zu, das musste ich auch noch irgendwie dazwischenschieben.«
    Â»Und wohin fahrt ihr jetzt?«
    Sie bemerkte seinen Tonfall zu spät. »Auf die Malediven!
Ein ganz kleines familienfreundliches Hotel ist das, mit tollen Betreuungsmöglichkeiten.
Außerdem …« Erst da stockte sie. Betreten sah sie weg.
    Michael rang sich ein Lächeln ab. Es wäre ohnehin
sinnlos, darüber zu reden. Ein gemeinsamer Urlaub, nur er und Lisa, das war
unmöglich. Nicht nur wegen ihrer Familie. Sie wollte so einen Urlaub in
Wahrheit gar nicht. Sie wollte diese Art von Beziehung nicht mit ihm. Das hatte
sie nie gewollt.
    Â»Ich werde hierbleiben«, sagte er. »Ich fahr nicht
weg, das habe ich mir inzwischen überlegt.«
    Sie sah ihn nicht an. »Und was hast du vor?«
    Â»Alles Mögliche. Ich geh ins Museum. Die alte Nationalgalerie
kenne ich nur von früher, im unsanierten Zustand. Die möchte ich mir mal
ansehen. Außerdem habe ich eine Karte für die Oper. Ich werde längere Spaziergänge
machen, mich erholen. Das wird mir guttun. Der Job war ziemlich anstrengend in
letzter Zeit.«
    Â»Das hört sich gut an.«
    Ihr Lächeln war genauso falsch wie das seine. Sie
stand auf und ging ins Bad. Er sah ihr hinterher. Anfangs waren sie bei ihren
Treffen wie die Tiere übereinander hergefallen. Doch jetzt war von dieser
Begierde nichts mehr zu spüren. Stattdessen hatte Michael das Gefühl, sie wünschte
sich weit weg.
    Er schloss die Augen. Vor ein paar Wochen hatten sie
schon mal über den Urlaub gesprochen. Es war einer jener seltenen und trügerischen
Momente gewesen, in denen er geglaubt hatte, eine wirkliche Liebe verbinde sie.
Alles schien unbedeutend in solchen Momenten. Dann gab es nur sie und ihn. Er
fiel jedes Mal darauf herein.
    Sie hatten sich nackt in den Armen gelegen, er hatte ihre
warme Haut und ihre duftenden Haare neben seinem Gesicht gespürt. Und er hatte
geglaubt, ihr alles anvertrauen zu können.
    Â»Ich habe Angst vor diesem Urlaub. Ich will ihn nicht
alleine verbringen. Ich fürchte mich vor der freien Zeit. Da flüstert einem
jeder Tag ins Ohr, er müsse was Besonderes sein. Er sollte mit Leben gefüllt
werden. Doch das fällt mir unendlich schwer.«
    Solange die Tage nur grau und gleichförmig waren,
konnte ihm nichts passieren. Dann war sein Leben in Ordnung. Er ging zur
Arbeit, kaufte ein, machte alles, ohne weiter darüber nachzudenken. Doch wenn
plötzlich sein Geburtstag nahte oder wenn Weihnachten oder Silvester war, dann
sah mit einem Mal alles anders aus.
    Sie hatte ihn fest umschlungen, ihm übers Haar gestrichen,
und ihr süßer Duft war überall gewesen.
    Â»Jetzt bin ich bei dir, Michael. Aber deine Lösung,
das bin ich nicht.«
    Es würde niemals einen gemeinsamen Urlaub geben. Sie
würden niemals zusammen glücklich werden.
    Â»Daniel Treczok?« Lisas Stimme holte ihn aus seinen
Gedanken. »Das ist der Name des Toten?«
    Er öffnete die Augen. Der Fernseher war noch immer
eingeschaltet, die Abendschau lief. Ein Bild des Toten wurde gezeigt, begleitet
vom Aufruf der Polizei, dass sich eventuelle Zeugen melden sollten. Eine Telefonnummer
wurde eingeblendet. Lisa stand in der Badezimmertür und blickte starr auf den
Bildschirm.
    Â»Sechste Mordkommission? Heißt das, ihr habt diesen Fall?«
    Â»Schon möglich. Mich geht das nichts mehr an. Ich habe
morgen meinen letzten Arbeitstag.«
    Â»Aber …« Sie sah ihn erschrocken an. »Michael … Daniel
Treczok … Ist das nicht dein Bruder?«
    Er schwieg. Blickte konzentriert auf die Mattscheibe.
Hauptsache, er sah ihr nicht in die Augen.
    Sie stand jetzt neben ihm. Berührte vorsichtig seine
Schulter. »Michael …«
    Â»Nein! Das ist nicht mein Bruder!«
    Sie zuckte zurück. Es schien, als wollte sie etwas
sagen. Doch dann setzte sie sich wortlos auf die Bettkante.
    Er wünschte sich, er hätte sie niemals in diese Geschichte
eingeweiht. Er hätte ihr nichts erzählen dürfen von den Schrecken seiner
Vergangenheit. Vielleicht hätte es dann eine Chance für sie beide gegeben.
    Â»Das ist nicht mein Bruder«, wiederholte er. »So heißen
bestimmt Hunderte. Der Name ist nicht ungewöhnlich.«
    Â 
    Sein Vater war wieder aufgewacht. Dennis konnte ihn
nebenan in der Küche hören. Die alten Federn des Sofas ächzten unter seinem

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