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Todesgarten

Todesgarten

Titel: Todesgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Gewicht.
Dann waren da seine Hausschuhe, mit denen er über die Dielen schlurfte, als
Nächstes ging die Kühlschranktür. Wahrscheinlich holte er sich ein neues Bier.
    Ein Schlüssel wurde in die Wohnungstür gesteckt, dann
sprang sie auf. Das war seine Mutter, die um diese Uhrzeit von der Arbeit kam.
Bestimmt war sie wie immer erschöpft und schlecht gelaunt. Sie würde mit
herabhängenden Mundwinkeln in die Küche gehen, seinen Vater erblicken und sich
sofort lautstark mit ihm herumstreiten.
    Dennis blieb in seinem Zimmer und wartete. Nach dem
Abendessen würde er hinausgehen, raus aus dieser Hölle. Irgendwohin, nur nicht
in den Tiergarten. Den wollte er nie wieder betreten. Wenn er Glück hatte,
würden sich ein paar Jungs aus der Nachbarschaft an der Straßenecke treffen. Da
gab es eine Bank, von der aus man die Straße und den kleinen Platz an der Ecke
beobachten konnte. Sie würden abhängen, Bier trinken und dummes Zeug reden.
Genau das Richtige für ihn.
    Seine Mutter knallte ihre Einkäufe auf den Küchentisch
und begann erwartungsgemäß herumzuschreien. »Du bist für nichts zu gebrauchen,
sitzt den ganzen Tag hier rum und trinkst Bier, nicht einmal den Müll hast du
runtergebracht!« Jeden Abend das Gleiche. Sein Vater brüllte dann zurück, und
es dauerte nicht lange, da war bei dem Geschrei kein Wort mehr zu verstehen.
Irgendwann würde ihnen die Luft ausgehen, und spätestens beim Abendessen
stritten sie nicht mehr, sondern starrten stumm und gereizt in entgegengesetzte
Ecken.
    Plötzlich klopfte es an der Wohnungstür. Erst leise,
dann lauter. Schließlich hämmerte einer dagegen. Seine Eltern hörten auf zu
schreien. Den Schritten nach zu urteilen war es sein Vater, der zur Tür
schlurfte.
    Eine männliche Stimme erklang: »Mein Name ist Koch.
Kriminalpolizei. Sind Sie Herr Pfeiffer?«
    Sein Vater brummte etwas, zu leise, um es durch die
Zimmertür zu verstehen.
    Â»Wohnt bei Ihnen ein Dennis Pfeiffer? Ihr Sohn, nehme
ich an?«
    Er verstand seinen Vater immer noch nicht, doch er
hörte den aggressiven Unterton in seiner Stimme. Dennis setzte sich auf, hielt
den Atem an und lauschte angestrengt in den Flur.
    Â»Wir würden ihn gerne sprechen«, sagte der Mann von
der Polizei. »Ist er zu Hause?«
    Â»Nein! Und jetzt verschwinden Sie!«
    Dann erklang die Stimme seiner Mutter aus der Küche.
»Natürlich ist er zu Hause. Er sitzt in seinem Zimmer herum und schlägt die
Zeit tot.«
    Dennis sprang auf. Panisch sah er sich um. Der Mann
musste wegen der Sache im Tiergarten gekommen sein. Er war hier, um ihn zu
holen. Dennis machte einen Satz zu seinem Fenster. Er war schon früher hier
herausgeklettert. Da war er von seinem Vater eingesperrt worden. Er brauchte
nur ein bisschen Zeit, einen kleinen Vorsprung.
    Sein Vater schimpfte auf dem Flur herum. »Erst sagen
Sie mir, was Sie von meinem Sohn wollen! Dennis hat nichts mit der Polizei zu
tun!«
    Er sagte das lauter als nötig, offenbar wollte er ihn
warnen. Wahrscheinlich nicht, um ihn zu schützen, sondern einfach um diesem
Mann von der Kripo eins auszuwischen. Aber das spielte keine Rolle. Sein Vater
würde den Polizisten so lange wie möglich aufhalten. Er leistete Schützenhilfe.
    Dennis riss das Fenster auf. Sie wohnten im ersten
Stockwerk, was bei der Mietskaserne aus den Zwanzigern gut fünf Meter bis zum
Betonboden im Innenhof bedeutete. Er kletterte über die Fensterbank, ließ Beine
und Rumpf über die Kante rutschen und klammerte sich an das Fensterkreuz. Dann
holte er Schwung und umfasste mit seiner Kniekehle das Regenrohr. Er holte
erneut aus, nutzte den Schwung und schlang sich nun mit dem ganzen Körper um
das Rohr.
    Ãœber ihm in der Wohnung war Lärm. Er hörte seinen
Vater schreien, offensichtlich probierte der Polizist, sich gewaltsam Zutritt
zur Wohnung zu verschaffen. Dennis kletterte ein Stück am Rohr hinab und sprang
dann in den Hof. Jenseits der Toreinfahrt sah er einen Streifenwagen vorm Haus
stehen. Uniformierte standen herum. Die Sache war offenbar ernster, als er
gedacht hatte.
    Er machte kehrt, rannte in den zweiten und von dort in
den dritten Hinterhof. Das war nur scheinbar eine Sackgasse. Im letzten Hinterhaus
lief er durch das enge und muffige Treppenhaus hinauf zum Dach. Nahm mit jedem
Schritt zwei Stufen, bis er völlig außer Atem war. Die Tür zum Dach war

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